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Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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gefühlt hast. Ich weiß es sehr gut.«
    Â»Waren sie es, die dich vor einem Jahr so zugerichtet haben?«
    Â»War so ein Langer dabei, ohne Vorderzähne?«
    Â»Ja. Er heißt Jesse. Er hat geschossen.«
    Â»Ich hab ihm die Zähne ausgeschlagen.«
    Â»Du?«
    Â»Ja. Ich hab mich gewehrt. Jedenfalls am Anfang. Aber dann packten sie mich und schlugen abwechselnd auf mich ein.« Neil erzählte mir stockend, wie sie ihn angespuckt und getreten hatten, wobei sie sorgfältig zielten. Als ihm das Blut aus Mund und Nase lief, verlangten sie, dass er um Gnade bettelte.
    Neil schwieg eine lange Zeit, und ich ahnte, wie schwer es ihm fiel, weiterzusprechen. »Ich hab’s getan«, sagte er schließlich. »Ich habe um Gnade gebettelt. Von da an haben sie mich in Ruhe gelassen.«
    Â»Du hast ihnen den Tod gewünscht, nicht wahr?«
    Â»Ja, Tally.«
    Â»Wenn sie es getan hätten«, sagte ich, »wenn sie mich wirklich vergewaltigt hätten, dann hätte ich genauso gefühlt wie du.«
    Â»Denk nicht mehr dran«, sagte Neil. »Ich will versuchen, in Zukunft besser auf dich aufzupassen.«
    Was immer das auch bedeuten mochte, es hörte sich einfach wunderbar an.

25. Kapitel
    Della war mit den Mädchen einkaufen gefahren, als wir beim Haus der Thunderhawks ankamen. So war es Neil, der mich zu Tante Charlene begleitete und der meine Hand hielt, als ich ihr erzählen musste, was passiert war.
    Die nun folgenden Stunden erlebte ich wie hinter einer dicken Wand aus Glas. Tante Charlene brach in Tränen aus. Sie wollte sofort zu ihrem Sohn nach Rapid City ins Krankenhaus, war aber außer Stande, selbst zu fahren.
    Neil erklärte sich bereit sie zu chauffieren, und zwei Stunden später saßen wir zu dritt auf dem Flur vor dem OP, in dem sich die Ärzte immer noch um Marlins Leben mühten.
    Irgendwann kam der erschöpfte Chirurg heraus und sagte meiner Tante, dass sie Marlin wieder zusammengeflickt hatten. Doch er war in ein Koma gefallen.
    Â»Wird er durchkommen?«, fragte sie.
    Â»Mit etwas Glück: ja.«
    Â»Und wird er wieder aufwachen?«, fragte Neil.
    Der weiße Arzt hob die Schultern. »Wann und ob er überhaupt wieder aufwacht, kann niemand vorhersagen.«
    Â»Kann ich meinen Sohn sehen?« Die Stimme meiner Tante zitterte. Der Chirurg nickte und führte uns auf die Intensivstation. Marlins Körper war mit unzähligen Schläuchen verbunden, und Charlene sah zum ersten Mal das grauenvolle Brandzeichen auf seiner Brust.
    Am liebsten wäre meine Tante bei ihrem Sohn im Krankenhaus geblieben. Aber man legte ihr nahe, nach Hause zu fahren und sich auszuruhen. Wenn Marlin aufwachte, würde man sie anrufen.
    Zu Hause sahen wir, dass ein schwarzer Jeep der Stammespolizei vor dem Haus der Thunderhawks stand. Wir stiegen aus, und ich beruhigte die Hunde, die uns anbellten, weil sie Hunger hatten.
    Â»Schon gut, Scooter und Rip«, sagte ich. »Ihr bekommt ja gleich was.«
    Â»Danke, dass du gefahren bist«, sagte Charlene zu Neil. »Ich wünschte, ich hätte einen Sohn wie dich.« Sie seufzte und war schon wieder den Tränen nahe.
    Neil wusste vor Verlegenheit nicht, wo er hinsehen sollte. »Schon okay«, sagte er. »Ich hoffe, Marlin wacht bald wieder auf.«
    Er meinte es aufrichtig, und Charlene nickte.
    Neil trottete davon, und ich ging mit meiner Tante ins Haus.
    Wenig später – ich war gerade dabei, die Hunde zu füttern – hielt der Jeep der Stammespolizei vor unserer Tür. Zwei Officer in Uniform stiegen aus und in dem jüngeren von beiden erkannte ich Kenny Shortbull wieder, der uns damals in der Schule über Jugendgangs aufgeklärt hatte. Der andere, ein älterer Mann mit schütterem grauem Haar, stellte sich als George Horn Cloud vor.
    Tom und Neil waren auch mitgekommen.
    Ich bat die Männer herein. Während ich Kaffee machte, erkundigte sich Officer Horn Cloud bei Charlene nach dem Zustand ihres Sohnes. Als sie ihm sagte, dass Marlin überlebt hatte, jedoch im Koma lag, meinte er: »Wäre Ihr Sohn nicht angeschossen worden, Mrs Running Horse, sondern mit seinen Kumpanen ins Auto gestiegen, dann wäre er jetzt tot.«
    Horn Cloud berichtete, dass der Thunderbird, in dem die übrigen drei nach dem Zwischenfall geflüchtet waren, von der Straße abgekommen war und sich überschlagen hatte. »Der Wagen ist sofort in Flammen aufgegangen. Es

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