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Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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verlegen.
    Â»Ich glaube, ich habe ein Loch im Bauch.«
    Â»Du hast schon den ganzen Tag gefastet?«, fragte ich, voller Anteilnahme.
    Â»Ja. Das Fasten gehört dazu. Genauso wie das Inipi.«
    Das Feuer auf dem Platz, in dem die Steine für die Schwitzhütte zum Glühen gebracht wurden, brannte schon. Nicht mehr lange, und die Sonnentänzer würden sich in einem Schwitzbad reinigen. Das würden sie dann immer wieder tun zwischen den Tänzen.
    Â»Wie oft hat du schon getanzt?«, fragte ich ihn.
    Â»Seit ich sechzehn bin«, antwortete er. »Es ist das dritte Mal für mich. Im nächsten Jahr werde ich wieder dabei sein. Ich tanze für Becky, meine Schwester.«
    Ich wusste zwar, dass Leo Little Moon viele Brüder hatte, aber von einer Schwester wusste ich nichts. »Ist sie krank?«, fragte ich ihn.
    Denn es war durchaus üblich, dass man während eines Sonnentanzes Wakan Tanka um Heilung für einen Kranken bat.
    Â»Sie ist tot«, sagte er leise.
    Erschrocken sah ich ihn an. »Was ist denn passiert?«
    Leo brauchte lange, bis er antwortete, so lange, dass ich dachte, ich hätte ihn vielleicht nicht fragen sollen. Aber die Worte waren mir einfach entschlüpft, bevor ich sie zurückhalten konnte.
    Doch dann redetet er. »Becky wurde umgebracht, da war sie so alt wie du. Jemand hat ihr Gewalt angetan und sie getötet. Wer das war, wissen wir bis heute nicht. Sie fehlt mir, meine kleine Schwester«, sagte er. »Sie fehlt uns allen seit vier langen Jahren.«
    Ein dicker Kloß würgte in meiner Kehle. »Es tut mir so Leid, Leo«, brachte ich schließlich heraus.
    Â»Ja. Sie war ein mutiges Mädchen und genauso hübsch wie du.«
    Verlegen blickte ich auf meine nackten Füße. Außer meinem Vater hatte das noch nie jemand zu mir gesagt und normalerweise hätte ich mich darüber gefreut. Doch jetzt machte Leos Kompliment mich noch trauriger.
    Â»Tut mir Leid, Tally«, sagte er. »Ich wollte dich nicht traurig machen. Aber du hast gefragt.«
    Â»Ich werde in Gedanken bei dir sein, wenn du tanzt«, sagte ich. »Ich werde auch an Becky denken.«
    Â»Danke, Tally. Das wird mir helfen.«
    Wir standen einander unschlüssig gegenüber, und ich versuchte ein Lächeln. »Brauchst du eine Umarmung?«, fragte ich.
    Leo nickte. »Unbedingt.«
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und drückte ihn an mich. Dann verabschiedete ich mich von ihm. Als ich Leo nachsah, wie er in einem der Tipis verschwand, spürte ich, dass ich beobachtet wurde, und drehte mich um.
    Neil Thunderhawk stand am Rand des Arbors, und mein Blick traf seinen.
    Langsam wurde es dunkel, und ein voller Mond stieg aus den schwarzen Wipfeln der Pinien. Ich machte mich auf den Weg ins Camp, in der Hoffnung, dass mich irgendjemand in seinem Wagen mitnehmen würde.
    Als ich Schritte hörte, blieb ich stehen und wandte mich um. Es war Neil. Mit seinen langen Beinen und kraftvollen Schritten hatte er mich bald eingeholt. Kurz sah ich sein Gesicht im hellen Licht des Mondes. Es war verschlossen, und er sagte auch nichts.
    Sollte sein mürrisches Verhalten etwas mit Leos Umarmung zu tun haben? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Neil hatte doch bisher nicht das geringste Interesse an mir gezeigt. Er war verrückt nach Suzy, und ich war ihm gleichgültig. Was konnte ihn also daran stören, dass ich Leo Little Moon umarmte?
    Â»Bist du sauer auf mich?«, fragte ich schließlich, während ich versuchte mich seinem Tempo anzupassen.
    Â»Warum sollte ich?«, antwortete er unwirsch.
    Â»Ich weiß nicht … Du sprichst ja nicht mit mir.«
    Â»Muss man denn immer reden? Das Mundwerk von euch Frauen steht niemals still. Euer endloses Geplapper geht mir mächtig auf die Nerven.«
    Ich schnaufte beleidigt, wagte aber nicht, noch irgendein Wort zu sagen. Nach einer Weile verlangsamte Neil seinen Schritt, sodass ich mithalten konnte, ohne außer Atem zu geraten.
    Plötzlich blieb er stehen. »Hörst du die Pferde?«, flüsterte er.
    Ich lauschte. Tatsächlich hörte ich das leise Schnauben der Pferde. Und dann sah ich sie auch: dunkle Schatten auf der vom Mondlicht silbern erleuchteten Wiese, wie Geisterwesen in der Nacht. Shunka Wakan.Es war ein unglaublicher Anblick, der uns beide vollkommen in Bann zog. Noch eine ganze Weile standen wir schweigend in der Dunkelheit. Neil fasste irgendwann nach meiner Hand

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