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Talivan (German Edition)

Talivan (German Edition)

Titel: Talivan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Tillmanns
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stummer Würde an.
    „Verdammtes Vieh, ich will dir nichts tun“, knurrte sie und schwang den Stock gegen die Krähe, „meinen Hunger könntest du zwar stillen, doch hätte ich keine Zeit, dich zu rupfen, selbst wenn ich hier ein Feuer zu machen wagte. Flieg endlich weg, zu deiner Familie oder wohin auch i m mer!“ Die Krähe wandte sich ab und begann den Boden nach Essbarem zu durchsuchen.
    Langsam schüttelte die Frau den Kopf. Was das Tier tat, war nicht einmal mutig, sondern nur dumm. Wie leicht hä t te sie es erschlagen können!
    „Du kannst doch nicht ernstlich wollen, dass ich dich töte“, sagte sie, obwohl sie die Antwort schon zu kennen glaubte. Mit einem leisen Seufzer drehte sie sich um, um zu ihrem Lagerplatz zurückzukehren, als ein Geräusch sie erstarren ließ. Zweifelsohne Reiter, die sich rasch näherten. Schnell sah sie zu der Krähe, doch diese saß friedlich und pickte o f fensichtlich kleine Tiere aus dem Boden. Die Stute? Zu spät, sie würde das Tier nicht rechtzeitig erreichen, um es zu beruhigen; zu laut hörte sie schon die beschlagenen H u fe auf dem festgetretenen Waldweg sich nähern. Wenn das Pferd nur einen Laut von sich gab, blieb ihr keine andere Möglichkeit mehr als eine Flucht zu Fuß durch den Wald, und wie diese enden musste, wollte sie sich wah r lich nicht ausmalen. Obwohl sie vom Wege aus nicht g e sehen werden konnte, duckte sie sich instinktiv und wartete. Nur noch ein kurzes Stück, das die Reiter zurücklegen mussten, ehe sie dem a n gebundenen Pferd nahe genug waren, um selbst ein leises Schnauben zu ve r nehmen. Nur noch ein wenig, jetzt preschten sie heran – und vorüber, ohne anz u halten.
     
    Die Frau atmete tief durch und schloss für einen Moment die Augen. Wenn das Tier nur einen Laut von sich gegeben hätte – aber nein, es war vorüber. Die Stute musste bereits Ve r trauen zu ihr gefasst haben, sonst hätte sie die fremden Pferde begrüßt. Nun würde sie stumm auf die Rückkehr i h rer neuen Herrin warten.
    Das Getrappel der Pferdehufe entfernte sich weiter. Die Frau richtete sich langsam auf und drehte sich um.
    „Oh nein“, sagte sie fast ungläubig, „das wirst du nicht w a gen …“
    Die Krähe sah sie unverwandt an, bevor sie einen mar k erschütternden, heiseren Schrei ausstieß. Von weitem ve r nahm die Frau das Schnauben von Pferden, gedämpfte Stimmen, Stille. Erst als sie die Huftritte langsam wieder lauter werden hörte, riss sie sich zusammen und warf sich nach wenigen schnellen Schritten auf die Krähe, deren pr o testierendes Krächzen erst verstummte, als die Frau ihren Schnabel packte und zusamme n presste.
    „Kein Laut mehr!“, zischte sie den Vogel an. „Wenn sie mich deinetwegen fangen, finde ich noch vorher die Zeit, dir den Hals umzudrehen!“ Die Krähe sah ihr mit einem undeutbaren Blick in die Augen, schien jedoch b e griffen zu haben, dass es für sie besser war stillzuhalten. Während sie die Reiter lan g sam näherkommen hörte, suchte die Frau hastig ein Versteck. Mit einer Hand den Vogel fassend, mit der anderen seinen Schnabel fest verschließend, kroch sie schließlich gerade rech t zeitig in ein dichtes Gebüsch.
    „… muss sie sein …“, hörte sie einen der hera n gekommenen Reiter sagen, und eine andere Stimme: „… Wunder, dass unser Herr sie … Gerüchte waren also … – den U n glücksboten gehört …“ Dann schwiegen ihre Häscher, wohl um kein Geräusch, kein weiteres Krächzen zu überh ö ren, von dem nur die Frau wusste, dass eine harmlose Krähe es ausgestoßen hatte, nicht ein Hexe n diener. Sie wagte nicht zu atmen, als die Männer immer näher kamen. Waren ihre Füße vollständig bedeckt? In ihrer Furcht war sie mit dem Kopf zuerst zwischen die Büsche gekrochen, so dass sie nun nur noch hoffen konnte, die Reiter würden sie nicht sehen. Ganz nah hinter sich hörte sie das Schnauben der Pferde. Ob diese sie witterten? Schon vermeinte sie wa r men Pferdeatem auf ihren bloßen Knöcheln zu spüren, als das Tier entrüstet wieherte.
    „Fressen kannst du nachher noch, blödes Ross“, zischte e i ner der Reiter, der anscheinend den Kopf seines Pferdes von den Büschen weggerissen hatte. Leise und fast g e mächlich en t fernten sie sich. Nach Minuten, die ihr wie Stunden erschienen, wagte die Frau endlich, sich lan g sam wieder aus ihrem unbequemen Versteck herauszuarbe i ten, noch immer den Schnabel der Krähe fest verschließend. Als sie endlich auch ihren Kopf befreit hatte und sich

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