Talivan (German Edition)
sie ihre Kräfte noch nicht anders ei n zusetzen vermochte?
Unwillkürlich musste Belsa lächeln, voller Stolz auf den Mut der jungen Frau, die schon immer viel genauer g e wusst zu haben schien, was zu tun war, und die sie a n fangs für ihr Dasein als ei n fache Magd so verachtet hatte. Nein, niemand musste ein Schwert führen, um seinen Mut zu b e weisen. Für einen Moment schwand der Nebel, der ihre Sinne u m mantelte, wurde ihr Geist wieder klar, wenn auch ihr von den Treppenstufen zerschlagener Körper sich zu erheben nicht in der Lage war.
„Inwar“, flüsterte sie, ohne die anderen vor Schreck e r starrten, zum Teil weinenden Frauen zu beachten, „öffne das Tor, jetzt bleibt uns keine andere Möglichkeit mehr.“
Ohne zu zögern, eilte die Köchin zu den schweren Balken, die das Tor verschlossen hielten, und en t riegelte einen nach dem anderen. Der letzte brach unter der Wucht des Ram m bockes, die massigen To r flügel jedoch bewegten sich nicht schnell genug, um Inwar in Gefahr zu bringen.
Stille, als beide Seiten begriffen, was geschehen sein mus s te. Auch ohne weiße Flaggen konnte das Öffnen der Tore nur eine Kapitulation bedeuten. Die ve r ängstigten Frauen drängten sich dicht an die Mauer, fort von der Öffnung, durch die nun die Gegner ritten, vorsichtig, noch immer auf einen Hinterhalt b e dacht, wenn auch die ersten Männer der Schlosswache ihre Waffen schon gut sichtbar niederlegten. Belsa versuchte aufzustehen, um den Pferden den Weg fre i zumachen, dann versank sie in Dunkelheit.
„Belsa? Kannst du mich hören?“
Vinim, ja, es war Vinim.
„Liebling, was hast du dir nur dabei gedacht, in deinem Z u stand …“
Ein Mann, sanfte Stimme, sehr zärtlich, sehr besorgt. Sie schlug die Augen auf. Errit, tatsächlich, ja, er war es. Belsa lächelte, obwohl ihr Leib noch immer schmerzte, z u mindest war die Übelkeit fast verschwunden, auch ihren Waffengurt hatte man ihr a b genommen, vielleicht schon oben auf der Mauer, sie wusste es nicht.
„Oh verdammt“, murmelte sie, „was ist nur mit mir los, es tut mir leid, wenn ich …“
„Schon gut, Kind, das kann einer Frau schon mal passieren, wenn sie guter Hoffnung ist“, gab Inwar fröhlich zurück. „Habe gehört, unser neuer König soll ein anständiger Mensch sein – der alte hat sich übrigens selbst gerichtet, als er merkte, dass niemand mehr für ihn kämpfen wollte, offenbar war er der Einzige, der etwas gegen diesen Theozek als König einzuwenden hatte –, er wird dir b e stimmt weiterhin hier Arbeit geben, das hat dieser Anführer der Sold a ten uns allen versprochen.“
„Und ich werde vielleicht mit den zurückkehrenden Sold a ten in den Norden gehen“, fügte Vinim munter hinzu. „Dort gibt es auch Frauen, die die gleichen Kräfte haben wie ich, und man sagte mir, ich würde sicher bald einen Lehrmei s ter finden, und für euch gäbe es dort auch Arbeit, ihr kön n tet Händler auf ihren Fahrten vor Wegelagerern beschützen und müsstet nicht mehr ständig kämpfen … Belsa, was ist denn nun wieder mit dir?“
„Es ist ein Mädchen“, stellte Vinim mit erstaunlicher Sac h lichkeit fest.
Belsa stöhnte auf.
„Ein Mädchen ist doch wundervoll!“, sagte Errit ve r wundert, während er ihre Hand kurz losließ, um ihr voller Stolz das Kind zu zeigen.
„Ja, sicher, aber …“ Sie stöhnte wieder.
Wenige Minuten später verkündete Inrim munter: „Kein Wunder, dass du solche Beschwerden hattest. Überlege dir auch noch einen Junge n namen.“
Belsa lächelte noch immer, als Errit ihr beide Kinder an die Brust legte. Dann überlegten sie sich zwei Namen.
Unglücksbote
Nur manchmal, wenn sie in einer unbewussten, da lange Zeit gewohnten Bewegung die jetzt kurzen Haare aus dem Gesicht streichen wollte, spürte sie noch ein leichtes Brennen in dem Mal auf ihrer Stirn. Ihre Gedanken sta n den dennoch in diesen Tagen stets unter dem Schatten des Ze i chens und dessen, was danach gekommen war. Das Pferd, das ihr nicht gehörte, trug sie währenddessen berei t willig weiter nach Norden.
Ich hätte schon viel früher gehen sollen, dachte sie bitter, dann wäre mir manches erspart geblieben. Nicht nur dieses Mal, das mich nun für immer brandmarken wird. Ihre Ha a re würden es in einigen Monden überwachsen, wie auch das Zeichen andernorts unbekannt sein mochte, und doch konnte sie es nicht abstreifen, war es untrennbar in ihre Haut gebrannt.
Obgleich Sommer, war es dennoch jetzt, am
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