Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
ihrer Körpersprache, daß sie mit sich zufrieden war – alles war gut. Als sie dann vor ihnen stand und mit professionellem Lächeln erklärte, Bridger sei außer Gefahr, hatte Dana die Hauptaussage bereits erfaßt. Die Einzelheiten waren schwieriger zu verstehen. Man hatte ihm ein Silikonröhrchen eingesetzt, um die Bildung von Granulationsgewebe – »Würden Sie das bitte aufschreiben?« – am freigelegten Knorpel zu verhindern, doch er könne am nächsten Tag entlassen werden, und die Prognose sei gut. Vollständige Wiederherstellung. Allerdings werde er zwei, drei Wochen nicht sprechen können, und danach werde es vermutlich zu einer geringfügigen Stimmveränderung kommen.
    »Geringfügige Stimmveränderung?« Dana sah von Terri zur Schwester.
    »Seine Stimme wird sich vielleicht anders anhören. Das heißt, seine Stimme wird nicht mehr denselben Umfang haben wie vor dem Unfall – vor der Verletzung, meine ich. Aber vielleicht auch nicht. Vielleicht wird alles sein wie vorher. Bei vielen ist das so.« Sie hielt inne, damit Terri aufholen konnte, obwohl Dana von ihrem Mund abgelesen hatte. Sie war in mittlerem Alter und hatte kummervolle Augen und halbkreisförmige Falten zu beiden Seiten des Mundes, die sich verschoben, wenn sie lächelte, was sie jetzt tat. »Er ist hoffentlich kein Sänger.«
    »Nein«, sagte Dana und schüttelte den Kopf, doch zugleich stand ihr vor Augen, wie er im Wagen neben ihr saß, die Lippen gespitzt, um in unbegreiflicher Ekstase die aus dem Radio quellende Melodie mitzusingen, die Tonketten, das Eulenlied: Who, who, who, who...
    Zuvor hatte sie mit Terris Hilfe seine Eltern informiert, Leute, die sie bis jetzt nicht kennengelernt hatte. Sie lebten in San Diego. Sie wußte nur, daß sein Vater irgendwas mit dem dort stationierten Militär zu tun hatte. Sie beobachtete Terris Gesicht, während diese dolmetschte und zuhörte und sich der emotionale Gehalt des Gehörten in ihren Lippen und Augen und den Regungen ihres Gesichts abzeichnete. Bridgers Eltern hatten seit einem Monat nichts von ihm gehört. Sie machten sich Sorgen. Die Mutter würde mit dem nächsten Flugzeug kommen. Schwang da eine Schuldzuweisung mit? Unwille, Groll, Feindseligkeit? Eine Gehörlose? Er hat nie was davon gesagt, daß er eine gehörlose Freundin hat.
    Und ganz gleich, wie oft sie die Nummer eintippte – ihre eigene Mutter ging einfach nicht an den Apparat oder hatte den Stecker herausgezogen. Es war zum Verrücktwerden. Terri bekam immer nur den Anrufbeantworter und hinterließ jedesmal die Nachricht, sie solle bitte zurückrufen, doch das hatte sie bisher nicht getan. Dana steckte ihr Handy tief in die Seitentasche ihrer Shorts, damit sie den Summer auch bestimmt spürte. Jetzt tastete sie danach, um sich zu beruhigen, und es war noch immer da, noch immer reglos, noch immer ein Ding aus Kunststoff, Metall und Silikon. Ein kaltes, totes Ding. So gut wie nutzlos. Sie hätte lieber ein paar Brieftauben mitnehmen sollen.
    Terri sah, wie Danas Hand in ihrer Tasche verschwand. Sie lächelte, dankte der Schwester, die bereits im Begriff war, sich abzuwenden und durch die Schwingtür zu verschwinden, für die Auskünfte und sah Dana an. »Noch immer kein Glück?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, sie wollte irgendwann in dieser Woche ins Theater gehen, aber ich weiß nicht...«
    Sie verstummte. Dann sagte Terri, die ihre Worte mit Gebärden begleitete: »Meine Wohnung ist ziemlich klein, nichts Tolles, aber im Wohnzimmer steht ein Bettsofa. Du bist herzlich eingeladen. Wirklich.«
    Schwitzend erwachte sie beim ersten Tageslicht und glaubte hinter dem dünnen Fliegengitter vor dem Fenster eine Bewegung auszumachen. Die Luft fühlte sich schwer und tropisch an. Ein Geruch nach Feuchtigkeit und Humus hing in der Luft, der fruchtbare, verjüngte Geruch von etwas, was in der Erde am Werk war, von erblühenden Blumen und Insektenarmeen, die sich in ihren Nestern und Verstecken in der Laubschicht unter den Bäumen vor dem Haus regten. Es roch nach Regen, nach Ozon. Für einen Augenblick lag sie reglos da, den Blick zur Decke gerichtet. Sie orientierte sich, verfolgte den Rosenkranz der Ereignisse rückwärts zum Krankenhaus und Terri, zu Bridger, zu Peck Wilson, der aus seinem Wagen stieg, und der Angst, die in ihrem Kopf explodiert war und sie die Straße entlanggejagt hatte – und dann ging ihr Blick zum Fenster mit dem Fliegengitter. Dort war ein Schatten, eine Bewegung. Ihr Herz klopfte. Sie setzte sich

Weitere Kostenlose Bücher