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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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verwertbare Information gebracht und überdies einige Kameraden das Leben gekostet, darunter auch Leutnant Steiff, der ihm in den paar Tagen, die sie zusammengearbeitet hatten, ein guter Freund geworden war. Torsten ballte die Fäuste. Zuerst hatte er Kiriakis erschossen, den er sehr geschätzt hatte, und nun war auch Steiff durch seine Aktion ums Leben gekommen.
    Für einige Augenblicke überlegte er, ob der Abschuss seines Dingos ein Racheakt der Griechen war. Diesen Gedanken verwarf er jedoch rasch. Niemand schleppte eine Rakete dieses Kalibers durch die Berge, wenn er das Ziel, auf das das Ding abgefeuert werden soll, nicht ganz genau kannte. Das Geschoss hätte sogar einen Panzer vom Typ Leopard in Schwierigkeiten gebracht.
    Ein Geräusch beendete seinen Gedankengang, und er griff automatisch zu seiner Pistole. Es war jedoch nur die fremde Frau, die erleichtert auf ihn zukam.
    »Ich habe Wasser gefunden!« Mit diesen Worten schraubte
Graziella die Feldflasche auf und wollte sie Torsten an die Lippen halten. Inzwischen aber hatte er sich so weit erholt, dass er selbst trinken konnte. Während er das nach Mineralien schmeckende Wasser schluckte, betrachtete er die junge Italienerin. Sie war hübsch, wenn auch nicht gerade sein Typ, da er eher auf schlankere, sportlichere Frauen stand, doch so wie diese Frau mochte Gina Lollobrigida in jungen Jahren ausgesehen haben. Sie besaß jene Weiblichkeit, die man bei deutschen Frauen nur selten fand.
    »Genug gesehen, oder soll ich mich ganz ausziehen?«, fragte Graziella bissig.
    Torsten lachte trocken auf und stöhnte vor Schmerz auf, weil sein Kopf keine Bewegung ertrug. »Ich glaube, fürs Ausziehen wäre es noch zu früh. Dafür müsste ich erst einmal auf die Beine kommen.«
    »Sie sollten lieber gar nicht erst in diese Richtung denken, tedesco . Ich bin erst vor einigen Stunden vergewaltigt worden und würde Ihnen eher mit meinen Zähnen die Kehle zerfetzen, als das noch einmal zu erleben.« Es fiel Graziella nicht leicht, das zu sagen, aber sie wollte von vornherein klare Verhältnisse schaffen. Erleichtert sah sie, wie das Gesicht des deutschen Soldaten Betroffenheit zeigte.
    »Das tut mir leid!«
    Graziella zuckte mit den Schultern. »Sicher nicht so sehr wie mir. Aber der Typ hat mir die Flucht ermöglicht. Daher sollte ich nicht allzu traurig sein. Den Leuten, die mich gefangen gehalten haben, gilt ein Leben nicht viel.«
    »Wenn es dieselben waren, die uns unter Feuer genommen haben, kann ich das bestätigen. Übrigens, mein Name ist Torsten Renk, Leutnant der Bundeswehr.«
    Die junge Italienerin verzog das Gesicht. »Torrstten Rrenkk? Da bricht man sich ja die Zunge ab. Ich werde Sie Toto nennen.«

    »Renk reicht, mit einem R und einem K.«
    Graziella befand, dass der Deutsche so trocken und humorlos war, wie man es seinem Volk nachsagte. Aber wenn er wollte, würde sie sich an dieses ‚Renk‘ gewöhnen. Jetzt aber fand sie es an der Zeit, sich selbst vorzustellen.
    »Also, ich bin Graziella Monteleone aus Rom und die Großnichte eines Kardinals!« Der Mann sollte wissen, dass sie nicht irgendein Flittchen aus einer der Vorstädte war, sagte sie sich, fragte sich aber sofort, warum sie ihn damit hatte beeindrucken wollen.
    Den Mann schien ihre Vorstellung nicht sonderlich zu interessieren, denn er blickte zum Himmel, der wie geschmolzenes Blei wirkte, und stöhnte. »Es sind etwa fünfzehn Kilometer bis zu unserem Camp. Wenn wir Glück haben, treffen wir vorher auf eine unserer Patrouillen.«
    »Und wenn wir kein Glück haben?«, fragte Graziella.
    »Dann müssen wir den ganzen Weg laufen, und das wird hart. Sie werden mich stützen müssen. Um mich dreht sich immer noch alles.« Aufseufzend dachte er, dass es wohl die härtesten fünfzehn Kilometer seines Lebens werden würden.

VIERUNDZWANZIG
    H oikens saß in der Felsenkammer, die ihm als Quartier diente, und studierte die Unterlagen, die er von Ghiodolfio erhalten hatte. Die Leute des Generals hatten ausgezeichnete Arbeit geleistet. Ihm standen nicht nur Stadtpläne und Beschreibungen von Tallinn zur Verfügung, sondern auch ein Film über das Tagungsgebäude, in dem sich die europäischen Regierungschefs versammeln wollten. Ghiodolfio
hatte Berichte über die einzelnen Ministerpräsidenten mit deren Vorlieben und Abneigungen sammeln lassen, und es gab umfangreiches Informationsmaterial über die geplanten Sicherheitsmaßnahmen. Dem Anlass entsprechend waren diese umfassend und so strikt, dass nicht

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