Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
hatte er sich persönlich gekümmert. Das Herz des Vaters hatte er zum Stillstand gebracht, als dieser ihm die Tür geöffnet hatte, die Mutter hatte er im Geburtsbett getötet. Das war in den frühen Tagen von Erius' Gemetzeln gewesen, als sich Niryn solcher Dinge noch selbst angenommen hatte.
Nalias Zwillingsschwester war ein hübsches kleines Ding gewesen, unberührt vom unfreundlichen Schicksal, das ihre Mutter und ihre Schwester verunziert hatte. Sie wäre zu einer Schönheit herangewachsen, und Schönheit ließ sich schwer verstecken. Oder beherrschen.
Eigentlich hatte Niryn beabsichtigt, sie alle zu töten, doch als er den zweiten plärrenden Säugling von der Seite der toten Mutter hochhob, hatte er eine Vision – jene, die seither jede seiner Taten leitete. Von jenem Augenblick an hatte er gewusst, dass er nicht mehr lediglich den Hetzhund des Königs verkörperte, sondern den Gebieter über die Zukunft Skalas.
Andere Zauberer erhaschten in deren eigenen Visionen einen flüchtigen Blick auf sie, ebenso einige der Priester Illiors. Indem sich Niryn die Ängste des Königs um Korin zunutze machte, nötigte er ihm die Macht und die Mittel ab, andere zu zermalmen, bevor sie seine süße, fügsame kleine Nalia klar erkannten und offenbarten. Niemand außer ihm durfte diese künftige Königin der Welt vorstellen, wenn der rechte Zeitpunkt dafür gekommen war. Niemand außer ihm durfte über sie gebieten, wenn sie den Thron erlangte.
Erius hatte Niryn in der Hand, aber er wusste, dass er nie in der Lage sein würde, den eigensinnigen jungen Korin in seine Gewalt zu bekommen. Der Junge hatte zu viel Blut seiner Mutter in den Adern und ließ zudem keine Anzeichen von Wahnsinn erkennen. Er würde lange herrschen, während sich Seuchen und Ungemach im Land ausbreiteten, bis Skala unter dem Ansturm der Feinde des Reiches brechen würde wie ein verrotteter Balken.
Die wahnsinnige Agnalain und ihre Brut hatten die Krone besudelt; niemand würde dies bestreiten. Seine Nalia konnte ihre Abstammung mütterlicher- und väterlicherseits zu Thelátimos zurückverfolgen. Niryn konnte es beweisen, wenn die Zeit dafür kam. Er, und nur er, würde das Schwert Ghërilains wieder in die Hand einer Frau reichen, wenn der Lichtträger das Zeichen dafür gab. In der Zwischenzeit wuchs sie in unerkannter Sicherheit auf, ahnte selbst nichts von ihrem Los. Sie wusste nur, dass sie ein Waisenkind war und Niryn ihr freundlicher Wohltäter und Vormund. Da ihr keine anderen männlichen Gefährten gestattet wurden, vergötterte sie ihn und vermisste ihn schrecklich, wenn er in der Ferne weilte, um sich in der Hauptstadt – wie sie glaubte – um seine Handelsgeschäfte zu kümmern.
»Es ist sehr grausam von dir, mich so lange warten zu lassen«, schalt sie ihn abermals, doch er sah, dass ihr bereits Röte in die unbemäkelte Wange stieg, als sie ihn an der Hand zu seinem Stuhl im Wohnzimmer zog: Freudig ließ sie sich auf seinem Schoß nieder, küsste ihn abermals und zupfte verspielt an seinem Bart.
Trotz ihres entstellten Gesichts war sie zu einer wohlgeformten jungen Frau herangewachsen. Niryn schlang einen Arm um ihre schlanke Mitte und streichelte liebevoll mit einer Hand über die üppigen Rundungen ihrer Brüste, als er sie küsste. Nachts in ihrem unbeleuchteten Schlafgemach war sie so wunderschön wie jede Mätresse, die er sich je genommen hatte, zudem jene, die ihm am unterwürfigsten hörig war.
Sollte Orun vorerst sein kleines Strichmännchen von einem Prinzen haben. Ohne Herzog Rhius' Macht hinter ihm – und auch diesem Verscheiden hatte Niryn Vorschub geleistet – verkörperte der Sohn Arianis nur einen weiteren männlichen Thronräuber, obendrein einen verfluchten. Sich seiner anzunehmen, würde denkbar einfach werden, wenn es soweit war.
K APITEL 5
Ein warmer Wind aus dem Süden beendete Tobins Exil Anfang Cinrin. Mittwinterliche Regenfälle ließen die Schneewehen wie Hutzucker schmelzen. Die Schneefestungen bröckelten, und die Armee der Schneemänner lag verstreut wie pockennarbige Leichname umher, zu Fall gebracht von der Plage des milden Wetters.
Zwei Tage später traf ein königlicher Bote mit einem Brief von Korin und einem weiteren scharfen Ruf von Fürst Orun ein.
»Das war's dann wohl«, meinte Ki, nachdem Tobin das Schreiben Tharin und den anderen, die am Kaminfeuer saßen, vorgelesen hatte.
Bisir hatte während seines unbeabsichtigten Aufenthalts Farbe ins Gesicht bekommen und war recht
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