Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
und erblickte Nikides, der mit blutigem Gesicht und jubelnd die gedunkelte Klinge zückte. Der junge Lorin befand sich neben ihm, verkniffen und gleichermaßen blutig.
»Zu mir!«, brüllte Tamír und scharte ihre Kämpfer zu einem weiteren Angriff.
Der feindliche Widerstand brach, und die Soldaten versuchten, zurück zu den Booten zu fliehen, mit denen sie gekommen waren. Auch hier ankerten Schiffe, und Tamír hatte keine Zauberer dabei, um sie in Brand zu stecken.
Tamír und ihre Reiter verfolgten die Flüchtenden und trieben sie ins Wasser, dann zogen sie sich zurück und ließen ihnen von Kymans Bogenschützen den Garaus machen, die auch ihre Boote entzündeten. Einigen Feinden gelang die Flucht, und sie ruderten zurück in die Dunkelheit, aber hinter ihnen übersäten die Leichen ihrer gefallenen Kameraden den Sand und wogten in der Dünung der aufkommenden Flut.
Die Skalaner ritten zurück zum Strand, wo Nyanis’ Bogenschützen bereitstanden, um den Angriff wieder aufzunehmen. Tamír stieg an einem ihrer Wachfeuer ab.
»Vorerst sind die Hunde in ihre Zwinger zurückgekehrt«, berichtete Nyanis und musterte Tamír. Sie war blutverschmiert, ihr Wappenrock fleckig und zerrissen. »Ihr seht aus, als hättet Ihr Spaß gehabt.«
»Ein bisschen zu viel Spaß«, warf Tharin leise ein und bedachte sie mit einem finsteren Blick. »Du hast deine Garde abgeschüttelt und hättest dabei um ein Haar Ki verloren.«
»Dann solltet ihr wohl alle lernen, schneller zu reiten«, gab sie zurück. Natürlich hatte er Recht, doch sie hatte nicht vor, dies zuzugeben.
Kurz begegnete er noch ihrem Blick, dann schürzte er die Lippen und wandte sich ab, da er klug genug war, vor den anderen Adeligen nicht weiter darauf einzugehen.
Die Zauberer gesellten sich am Wachfeuer zu ihr, standen eine Weile schweigend da und staunten über ihren Erfolg.
»Was glaubst du, dass sie jetzt tun werden?«, fragte Arkoniel. »Zahlenmäßig sind sie uns immer noch überlegen, und es ist noch zu früh, um mit Verstärkung auf unserer Seite zu rechnen.«
Tamír zuckte mit den Schultern. »Wenn sie noch einmal herankommen, schlagen wir sie erneut zurück. Sie haben den Vorteil der Überraschung eingebüßt, und das wissen sie. Ich denke, sie werden um Verhandlungen ersuchen.«
Als ein nebliger Morgen anbrach, stellte sich heraus, dass sie Recht behielt. Auf dem Flagschiff der Plenimarer wurde ein langes, weißes Banner gehisst. Tamír erteilte ihrem Standartenträger den Befehl, in selber Weise zu antworten. Anschließend ließ sie ihre gesamte Streitkraft weithin sichtbar entlang des Strandes aufmarschieren.
Ein Beiboot mit einer kleineren Ausgabe des Verhandlungsbanners wurde zu Wasser gelassen und ruderte an Land. Der Befehlshaber der Plenimarer erwies sich als schwarzbärtiger Hüne, gekleidet in einen schwarzen Ziermantel aus Leder und Kettenpanzerung. Sein Wappenrock wies das Zeichen eines Adelshauses auf. Ein halbes Dutzend grimmig wirkender Männer begleitete ihn, allesamt unbewaffnet.
Platschend sprangen sie aus dem Boot, aber der Befehlshaber ließ die anderen am Rand des Wassers zurück und schritt ohne Eskorte den Strand herauf. Als er Tamír mit ihrem gekrönten Helm erblickte, zögerte er, vermutlich überrascht darüber, keinem beeindruckenderen Feind zu begegnen.
»Ich bin Herzog Odonis, General von Plenimar und Admiral der Flotte des Oberherrn«, verkündete er barsch auf Skalanisch mit schwerem Akzent. »Mit wem spreche ich?«
»Ich bin Tamír Ariani Agnalain, Königin von Skala«, erwiderte sie und nahm den Helm ab, damit er ihr Gesicht besser sehen konnte. »Ihr verhandelt mit mir.«
Überrascht zog er die buschigen Brauen hoch. »Königin?«, stieß er höhnisch hervor. »Skala hat derzeit keine Königin. Wer seid Ihr, kleines Mädchen?«
Kleines Mädchen! In ihr steckte noch genug von Tobin, um sich durch die Spöttelei doppelt beleidigt zu fühlen. Mit strenger Miene straffte sie die Schultern. »Ich bin Tamír, Tochter der Prinzessin Ariani, Tochter der Agnalain. Mein Onkel, der von Illior verfluchte Thronräuberkönig, fiel bei Eurem ersten Angriff auf unsere Hauptstadt. Ich stehe jetzt als die von Illior Lichtträger Auserkorene an seiner Stelle. Die Priester von Afra bezeugen es.«
Odonis musterte sie nach wie vor mit einigem Argwohn. »Ihr führt diese …«, er ließ den Blick über die geringe Größe ihrer Streitkraft wandern und sah sie mit erneut hochgezogenen Augenbrauen an, „… diese
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