Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
entschieden, Kring«, erinnerte sie ihn.
»Kann es noch den geringsten Zweifel geben, Liebste?«
Immer noch kniend, sagte Tikume: »Ihr werdet in unserem Lager mit allen Ehren empfangen, Doma Mirtai, denn bei unserem Volk seid Ihr eine Königin. Alle werden vor Euch niederknien, und alle werden Euch ehrerbietig Platz machen. Man wird Gedichte und Lieder über Euch schreiben und Euch kostbare Geschenke darbringen.«
»Na, so was«, murmelte Mirtai.
»Eure Schönheit ist ohne Zweifel göttlich, Doma Mirtai«, fuhr Tikume fort, der sich offenbar in Begeisterung redete. »Allein Eure Anwesenheit erhellt eine trübe Welt und läßt die Sonne verblassen. Ich bewundere die Weisheit meines Bruders Kring, Euch zu seiner Gefährtin zu erwählen. Kommt geradenwegs in unser Lager, Göttliche, auf daß mein Volk Euch anbete.«
»Meine Güte!« hauchte Ehlana. »Zu mir hat noch nie jemand so etwas Schönes gesagt.«
»Wir wollten Euch nur nicht in Verlegenheit bringen, meine Königin«, schmeichelte ihr Stragen. »Natürlich empfinden wir genauso für Euch. Wir haben nur befürchtet, Ihr könntet es als Übertreibung ansehen.«
»Gut gebrüllt, Löwe«, lobte Ulath.
Mirtai blickte Kring mit neu erwachtem Interesse an. »Warum hast du mir davon nichts erzählt, Kring?« fragte sie.
»Ich dachte, das wüßtest du, Geliebte.«
»Nein, das wußte ich nicht.« Sie schob die Unterlippe nachdenklich vor. »Aber jetzt weiß ich es«, fügte sie bedeutungsvoll hinzu. »Hast du bereits einen Olma auserwählt?«
»Sperber erweist mir diesen Dienst, Liebste.«
»Dann macht Euch auf den Weg und sprecht mit Atan Engessa, Sperber«, forderte sie ihn auf. »Richtet ihm aus, daß ich nicht abgeneigt bin, Domi Kring zu erhören.«
»Das ist eine sehr gute Idee, Mirtai«, versicherte Sperber ihr. »Ich frage mich, warum ich nicht selbst darauf gekommen bin.«
14
Pela in Mittelastel war ein Haupthandelszentrum, wohin Kaufleute und Viehhändler aus allen Teilen des Imperiums reisten, um Handel mit den peloischen Züchtern zu treiben. Es war eine schäbige, behelfsmäßig wirkende Stadt. Viele Häuser waren in Wirklichkeit nur prunkvolle Fassaden, hinter denen sich Zelte befanden. Die ungepflasterten Straßen waren von Karrenrädern tief gefurcht, und Fuhrwerke und Rinderherden wirbelten Staubwolken auf, welche die Stadt meist völlig einhüllten. Außerhalb des kaum erkennbaren Stadtrands erstreckte sich ein Meer von Zelten – die transportablen Heime der nomadischen Peloi.
Tikume führte die Reisegruppe quer durch die Stadt und hinaus auf einen Hügel, wo auf der Kuppe buntgestreifte Zelte rings um einen größeren freien Platz errichtet waren. Ein von hohen Stangen gehaltener Baldachin spendete dem Ehrenplatz an der höchsten Stelle Schatten; der Boden darunter war mit Teppichen belegt, auf denen Kissen und Pelze lagen.
Mirtai war der absolute Mittelpunkt. Ihre schlichte Marschkleidung war unter einer knöchellangen Purpurrobe verborgen, als Zeichen ihres baldigen königlichen Standes. Kring und Tikume geleiteten sie der Etikette entsprechend zum zeremoniellen Platz des Lagers und machten sie mit Tikumes Gemahlin Vida bekannt, einer Frau mit scharfgeschnittenen Zügen, die ebenfalls ein Purpurgewand trug und Mirtai mit unverhohlener Feindseligkeit musterte.
Sperber und die anderen schlossen sich den Peloiführern als Ehrengäste im Schatten an.
Vidas Miene wurde immer finsterer, als die Peloikrieger sich gegenseitig auszustechen versuchten, indem sie Mirtai mit überschwenglichen Komplimenten überhäuften, als sie Kring und seiner zukünftigen Gemahlin vorgestellt wurden. Geschenke wurden der Atanerin dargebracht und Lieder gesungen, welche die Schönheit der goldhäutigen Riesin priesen.
»Wann haben sie nur die Zeit gefunden, Lieder für Mirtai zu schreiben?« fragte Talen leise, an Stragen gewandt.
»Ich vermute, die Lieder gibt es schon lange«, antwortete Stragen. »Nur die Namen werden ausgetauscht. Ich könnte mir vorstellen, daß auch Gedichte vorgetragen werden. Ich kenne einen drittklassigen Poeten in Emsat, der recht gut davon lebt, Gedichte und Liebesbriefe für junge Edle zu schreiben, die zu faul oder unbegabt sind, es selbst zu tun. Für solche Fälle gibt es jede Menge Vorlagen, bei denen Stellen für die Namen offengelassen werden.«
»Heißt das, daß man an diesen Stellen nur den Namen der Verehrten einfügt?« fragte Talen ungläubig.
»Den Namen einer anderen einzufügen, hätte wohl nicht viel
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