Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
Sinn.«
»Aber das ist unehrlich!« rief Talen.
»Welch ungewöhnliche Worte, Talen.« Patriarch Emban lachte.
»Besonders von dir.«
»Man darf doch ein Mädchen nicht belügen, wenn man ihr sagt, was man für sie empfindet!« beharrte Talen, der allmählich ein Auge auf junge Damen warf. Zudem hatte Talen einige erstaunlich feste Ansichten entwickelt. Man mußte es seinen Freunden hoch anrechnen, daß bei seiner Äußerung, die eine ziemlich naive Ehrlichkeit verriet, niemand auch nur die Miene verzog. Baroneß Melidere dankte Talen sogar mit einer impulsiven Umarmung.
»Was sollte das?« fragte er sie ein wenig argwöhnisch.
»Ach, nichts«, antwortete Melidere und strich sanft über seine Wange. »Wann hast du dich zum letztenmal rasiert?«
»Vergangene Woche, glaube ich – vielleicht war's auch die Woche davor.«
»Es wird bald schon wieder Zeit. Kein Zweifel, Talen, du wirst erwachsen.«
Der Junge errötete leicht.
Prinzessin Danae zwinkerte Sperber heimlich zu.
Nachdem die Geschenke überreicht und die Gedichte und Lieder vorgetragen waren, zeigten Krings Männer ihre Geschicklichkeit mit den Säbeln und die Tikumes mit ihren Speeren, die sie entweder schleuderten oder als kurze Lanzen benutzten. Ritter Berit hob einen cyrinischen Ritter, der ebenso jung wie er war, aus dem Sattel, und zwei blondzöpfige Genidianer führten einen sehr gefährlich anmutenden Axtkampf vor.
»Das gehört mehr oder weniger zu einer üblichen Hochzeitsfeier, Emban«, sagte Oscagne zum Patriarchen von Uzera. Die Freundschaft der beiden war so weit fortgeschritten, daß sie sich ohne Titel anredeten. »Kriegerkulturen lieben Zeremonien über alles.«
Emban lächelte. »Das ist mir nicht entgangen, Oscagne. Unsere Ritter sind die höflichsten Männer, die ich kenne, und niemand legt soviel Wert auf die Zeremonie.«
»Umsicht, Eminenz«, erklärte Ulath.
»Mit der Zeit werdet Ihr Euch daran gewöhnen, Exzellenz«, versicherte Tynian dem Botschafter. »Ritter Ulath geht mit Worten sparsam um.«
»Falls ich mich unklar ausgedrückt habe, Exzellenz«, wandte Ulath sich an den Botschafter, »ich wollte nur darauf hinweisen, daß man zu einem Mann mit einer Axt höflich sein muß.«
Atan Engessa erhob sich und verbeugte sich ein wenig steif vor Ehlana. »Darf ich Eure Sklavin erproben, Ehlana-Königin?«
»Wie meint Ihr das, Atan Engessa?« fragte sie stirnrunzelnd.
»Die Zeit des Rituals ist bald gekommen. Wir müssen entscheiden, ob sie bereit dafür ist. Ich werde sie nicht verletzen. Jetzt, wo all die anderen ihr Waffengeschick beweisen, werden Atana Mirtai und ich uns beteiligen. Es ist eine gute Gelegenheit für die Prüfung.«
»Wenn Ihr es für richtig haltet, Atan«, stimmte Ehlana zu. »Sofern die Atana nichts dagegen hat.«
»Wenn sie eine echte Atanerin ist, wird sie nichts dagegen haben, Ehlana-Königin.« Der Riese drehte sich abrupt um und schritt zu Mirtai hinüber, die bei den Peloi saß.
»Mirtai ist heute wirklich der Mittelpunkt«, bemerkte Melidere.
»Und das ist sehr schön«, erwiderte Ehlana. »Sie hat sich viel zu lange im Hintergrund gehalten. Ein bißchen Aufmerksamkeit steht ihr zu.«
»Euch ist doch klar, daß es politische Gründe hat«, warf Stragen ein. »Tikumes Leute überhäufen Mirtai auch deshalb mit Aufmerksamkeiten, um sich Krings Sympathien zu sichern.«
»Ja, das weiß ich, Stragen, aber ich finde es trotzdem schön.« Sie blickte ihre goldhäutige Sklavin nachdenklich an. »Sperber, ich wäre dir sehr dankbar, wenn du dich ganz besonders um die Verhandlungen mit Atan Engessa kümmern würdest, was den Brautpreis betrifft. Mirtai verdient es, glücklich zu werden.«
»Ich werde sehen, was ich für sie tun kann.«
Mirtai erklärte sich mit Engessas Vorschlag sofort einverstanden. Sie erhob sich anmutig, öffnete die Spange am Hals ihrer Purpurrobe und ließ sie an sich hinabgleiten.
Die Peloi betrachteten sie offenen Mundes. Ihre Frauen trugen üblicherweise Gewandung, die viel mehr verbarg. Vidas höhnischer Gesichtsausdruck schwand. Mirtai war unverkennbar eine Frau. Obendrein war sie schwer bewaffnet, was die Peloi in Erstaunen versetzte. Mirtai und Engessa begaben sich auf den Platz vor dem Baldachin, verneigten sich kurz voreinander und zogen ihre Schwerter.
Als schlachterprobter Krieger hatte Sperber gedacht, den Unterschied zwischen Wettkampf und Kampf zu kennen, doch was nun geschah, ließ ihn daran zweifeln. Mirtai und Engessa schienen darauf aus zu sein,
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