Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
hast ihm doch erzählt, was vor sich geht, nicht wahr?«
Sperber nickte.
»Wir müssen so schnell wie möglich nach Sarsos und mit Sephrenia reden.«
»Dann wirst du unsere Reise wieder beschleunigen?«
»Das halte ich für notwendig. Ich bin mir noch nicht sicher, was unsere Gegner vorhaben, aber aus irgendeinem Grund haben sie es plötzlich eiliger. Wir müssen also zusehen, daß wir mit ihnen Schritt halten. Bring mich zur Kutsche zurück, Sperber. Stragen dürfte inzwischen fertig sein, mit seiner Bildung anzugeben, und mir wird allmählich übel vom Geruch deiner Rüstung.«
Obwohl die drei so verschiedenen Truppenteile, die als Eskorte der Königin von Elenien dienten, gemeinsame Interessen hatten, beschlossen Sperber, Engessa und Kring, die Peloi, die Ordensritter und Ataner mehr oder weniger getrennt voneinander zu halten. Die kulturellen Unterschiede ließen eine außerdienstliche Begegnung nicht ratsam erscheinen; die Wahrscheinlichkeit, daß es zu Mißverständnissen kommen würde, war zu groß. Jeder Führer wies seine Truppen ausdrücklich auf die Erfordernisse striktester Höflichkeit und Förmlichkeit hin. Die Folge war eine angespannte und übertriebene Steifheit. Ataner, Peloi und Ordensritter waren eher Verbündete denn Kameraden. Und die Tatsache, daß nur sehr wenige Ataner Elenisch beherrschten, erweiterte die Kluft zwischen den einzelnen Truppenteilen der kleinen Armee, die nun hinaus auf die baumlose Weite der Steppe marschierte.
In geraumer Entfernung von der Stadt Pela in Mittelastel stießen sie auf die Ostpeloi. Krings Vorfahren waren vor etwa dreitausend Jahren aus diesem schier grenzenlosen Grasland ausgewandert, doch trotz der Trennung durch Zeit und Entfernung ähnelten sich die beiden Zweige der Peloier erstaunlich, zumindest, was Kleidung und Gebräuche anbelangte. Der einzige auffällige Unterschied war die offensichtliche Vorliebe der Ostpeloi für den Wurfspeer, während Krings Krieger den Säbel bevorzugten. Nach einer rituellen Begrüßung setzten Kring und sein Vetter aus dem Osten sich mit überkreuzten Beinen auf eine Wiese, ›teilten Salz miteinander und besprachen Angelegenheiten‹, während zwei Armeen einander über dreihundert Meter Grasfläche hinweg wachsam beäugten. Endlich war offensichtlich die Entscheidung gefallen, einander nicht zu bekriegen, und Kring führte seinen Gastgeber und entfernten Verwandten zur Karosse, um ihn allen vorzustellen. Der Domi der Ostpeloi hieß Tikume. Er war etwas größer als Kring, doch auch er hatte den Kopf kahl geschoren – eine Sitte bei diesem Reitervolk, die weit in die Vergangenheit zurückreichte.
Tikume begrüßte alle höflich. »Es ist sehr ungewohnt für mich, Peloi zu sehen, die mit Ausländern verbündet sind«, erklärte er. »Domi Kring hat mir zwar von den Zuständen in Eosien berichtet, doch daß sie zu so eigenartigen Abmachungen führten, wußte ich nicht. Aber er und ich haben uns ja auch schon seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen.«
»Ihr kennt Domi Tikume von früher, Kring?« fragte Patriarch Emban überrascht.
»O ja, Eminenz«, antwortete Kring. »Domi Tikume ist vor einigen Jahren mit dem König von Astel nach Pelosien gereist. Dabei hat er einen kleinen Umweg gemacht, um mich zu besuchen.«
»König Alberens Vater war viel weiser als sein Sohn«, erklärte Tikume. »Und sehr belesen. Er hat viele Ähnlichkeiten zwischen Pelosien und Astel erkannt und deshalb einen Staatsbesuch bei König Soros unternommen. Er lud mich ein, ihn zu begleiten.« Tikume verzog das Gesicht. »Vielleicht wäre ich nicht mitgekommen, wenn ich gewußt hätte, daß er mit dem Schiff reist. Ich war zwei Monate lang seekrank. Domi Kring und ich verstanden uns jedoch von Anfang an. Er war so freundlich und nahm mich zur Ohrenjagd auf die Marschen mit.«
»Hat er die Einnahmen mit Euch geteilt, Domi Tikume?« fragte ihn Ehlana.
»Wie meint Ihr das, Königin Ehlana?« Tikume blickte sie verwirrt an.
Kring dagegen lachte nervös und errötete sogar ein wenig.
Da kam Mirtai zur Kutsche geschritten.
»Ist sie das?« fragte Tikume, an Kring gewandt.
Kring nickte stolz. »Ist sie nicht umwerfend?«
»Großartig!« bestätigte Tikume beinahe ehrfürchtig. Dann sank er auf ein Knie nieder. »Doma«, begrüßte er sie und hob die Hände in Höhe seines Gesichts.
Mirtai blickte Kring fragend an.
»Es ist ein peloisches Wort, Liebste«, erklärte er ihr. »Es bedeutet ›Gefährtin des Domi‹.«
»Das ist noch nicht
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