Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
Sarsos bescheiden und einfach zu geben, und ihr werdet dort eine völlig andere Art von Styrikern erleben.« Sie nahm in der Karosse Platz und streckte Danae die Arme entgegen. Die kleine Prinzessin setzte sich auf Sephrenias Schoß und küßte sie. Es schien das Natürlichste auf der Welt zu sein, doch Sperber war insgeheim verwundert, daß nicht eine Aura strahlenden Lichts um die beiden aufleuchtete.
Da erblickte Sephrenia Emban. »Oh, welch unerwarteter Besuch, Eminenz. Wie groß ist Eure Toleranz?«
»Ich mag Euch, Sephrenia«, versicherte ihr der fette kleine Mann. »Ich habe nur etwas gegen die hartnäckige Weigerung der Styriker, den wahren Glauben anzunehmen. Aber ich bin gewiß kein blinder Eiferer.«
»Würdet Ihr dann einen Rat beherzigen, mein Freund?« fragte Oscagne ihn.
»Laßt hören.«
»Ich würde Euch empfehlen, Euren Besuch von Sarsos als einen Ausflug zu betrachten und die Theologie zu Hause zu lassen. Seht Euch um, aber behaltet Euer Mißfallen für Euch. Das Imperium wüßte eine derartige Kooperation wirklich zu würdigen, Emban. Wir bitten Euch, nicht den Unmut der Styriker zu erregen. Sie sind ein sehr eigensinniges Volk mit Fähigkeiten, die wir nicht ganz verstehen. Wir wollen keine Unruhen heraufbeschwören, die sich vermeiden lassen.«
Emban öffnete den Mund, beschloß dann aber, nichts zu erwidern.
Sperber besprach sich kurz mit Oscagne und Sephrenia und beschloß, daß die Ordensritter, von den langjährigen Gefährten abgesehen, ihr Lager mit den Peloi vor der Stadt aufschlagen sollten. Auf die Weise wurden viele vorhersehbare Probleme vermieden. Engessa schickte seine Ataner in ihre Garnison ein Stück außerhalb der nördlichen Stadtmauer, während Ehlana und ihre Begleiter die Stadt durch ein unbewachtes Tor betraten.
»Was hast du denn, Khalad?« fragte Sephrenia Sperbers Knappen, der sich stirnrunzelnd umschaute.
»Es geht mich wirklich nichts an, Erhabene, aber sind Marmorhäuser so weit im Norden wirklich das Richtige? Sie müssen doch im Winter entsetzlich kalt sein!«
»Ganz der Vater!« Sie lächelte. »Ich fürchte, du bist da auf eine unserer Untugenden gestoßen, Khalad. Die Eitelkeit. Die Häuser haben Backsteinmauern. Der Marmor ist nur Fassade – mehr Schein als Stein.«
»Aber auch Backstein schützt nicht besonders gut vor der Kälte, Erhabene.«
»O doch. Wenn man Doppelwände errichtet und den Zwischenraum von etwa einem Fuß mit Gips füllt.«
»Das ist ja unglaublich mühsam und zeitraubend!«
»Du würdest dich wundern, wieviel Zeit und Mühe die Leute der Eitelkeit wegen aufwenden, Khalad. Der Zweck heiligt in diesem Fall die Mittel. Unsere Götter lieben Marmorgebäude, und wir möchten, daß sie sich darin wie zu Hause fühlen.«
»Holz ist trotzdem praktischer!« sagte er beharrlich.
»Davon bin ich überzeugt, Khalad, aber es ist so gewöhnlich. Wir möchten gern anders sein.«
»Anders – das trifft es.«
Sarsos roch sogar anders. Über jeder elenischen Stadt, wo sie sich auch befinden mochte, hing eine ungesunde Glocke aus Rauch, verrottendem Abfall und ungeleerten Senkgruben. Sarsos hingegen duftete nach Bäumen und Rosen. Es war Sommer; überall blühten Rosenbüsche, und wohin man schaute, erfreuten kleine Parks das Auge. Ehlanas Blick wurde immer nachdenklicher. Ein sechster Sinn sagte Sperber, daß Eleniens Hauptstadt sehr viel Gartenarbeit bevorstand.
Die Architektur und Gestaltung der Stadt waren harmonisch und zeugten von hoher Kultur. Die Straßen waren breit und gerade, die Gassen idyllisch und still. Alle Häuser waren mit Marmor verkleidet und besaßen einen Portikus mit schlanken weißen Säulen. Unverkennbar war Sarsos keine elenische Stadt.
Für elenische Augen sahen die Bewohner indes seltsam unstyrisch aus. Die Styriker im Westen trugen ohne Ausnahme Gewänder aus grobem weißem Gewebe, so daß man sie allein schon daran erkannte. Die sarsosischen Styriker dagegen waren in Seide und feines Leinen gewandet. Auch sie zogen offenbar Weiß vor, doch sah man auch andere Farben – Blau und Grün und Gelb und viel leuchtendes Rot. Im Westen zeigten sich Styrikerinnen selten in der Öffentlichkeit; hier sah man sie überall in bunten Kleidern und mit Blumen im Haar.
Am augenscheinlichsten war jedoch der Unterschied im Auftreten der Menschen. Die Styriker im Westen waren zaghaft und bisweilen so furchtsam wie Rehe, dazu von einer Zurückhaltung, die der elenischen Aggressivität den Stachel nehmen sollte, was jedoch
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