Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
ehe ich mir deiner nicht sicher bin.« Ihr Lächeln verriet ehrliche Zuneigung. Sperber erkannte, daß dies alles zum Reiferitus gehörte, und daß Mirtai wahrscheinlich nie wieder so offen sein würde. Ihre typisch atanische Verschlossenheit war für diese eine Nacht abgestreift. Sperber fühlte sich geehrt, daran teilhaben zu dürfen. Jetzt seufzte Mirtai und wurde traurig. »Gelan hatte einen besonderen Freund, den er sehr liebte – einen schönen jungen Burschen namens Majen. Er war der einzige seiner Freunde, den ich nicht mochte. Er nutzte Gelan aus und sagte absichtlich Dinge, von denen er wußte, daß sie Gelan kränken würden. Majen taugte nichts. Er war selbstsüchtig und ungemein eitel. Außerdem war er untreu, und das ist abscheulich. Mit der Zeit wurde er Gelans überdrüssig und tat sich mit einem anderen schönen Taugenichts zusammen. Ich hätte beide töten sollen, gleich als ich es herausfand, und ich bereue es noch heute, daß ich es nicht getan habe! Gelan hatte Majen törichterweise in ein prächtiges Haus am Stadtrand einziehen lassen und erwähnt, daß er es ihm in seinem Testament vermacht habe, so daß es sein Eigentum sein würde, falls ihm etwas zustieße. Majen und sein neuer Freund wollten dieses Haus schnellstmöglich und schmiedeten ein Komplott gegen Gelan. Eines Abends lockten sie ihn in das Haus. Als Gelan allein kam, wie sie ihn gebeten hatten, töteten sie ihn und warfen seine Leiche in den Fluß. Ich weinte viele Tage, denn ich hatte Gelan wirklich sehr gemocht. Einer seiner anderen Freunde erzählte mir, was geschehen war, doch vorerst schwieg ich und unternahm nichts. Gelans Schwester erbte mich – mitsamt seinem übrigen Besitz. Sie war eine recht nette Dame, aber schrecklich religiös. Sie brachte es nicht fertig, mich als ihren Besitz zu betrachten und sagte, sie wolle meine Freundin sein. Ich aber riet ihr, mich lieber zu verkaufen. Außerdem gestand ich ihr, daß ich erfahren hatte, wer Gelan ermordete, und daß ich seine beiden Mörder töten würde. Deshalb wäre es besser, wenn ich jemandem gehörte, der Verel verließ; dann würde sie, Gelans Schwester, nicht in die lästigen Nachforschungen hineingezogen, zu der es bei unerklärlichen Leichenfunden zweifellos kommen würde. Ich hatte damit gerechnet, daß sie Schwierigkeiten machte, doch sie war erstaunlich hilfsbereit. Sie war ihrem Bruder wirklich sehr zugetan gewesen und billigte mein Vorhaben. So verkaufte sie mich an einen elenischen Händler, der mit dem Schiff nach Vardenais fahren wollte, und versprach ihm, mich am Morgen seiner Abreise an Bord zu bringen. Gelans Schwester kam ihm sehr entgegen, was den Preis für mich betraf, und der Händler war sofort einverstanden.
In der Nacht vor der Abreise meines neuen Besitzers verkleidete ich mich als Junge und begab mich zu dem Haus, in dem Majen und der andere wohnten. Ich wartete, bis Majen das Haus verließ, dann ging ich zur Haustür und klopfte. Majens neuer Freund öffnete, und ich behauptete, mich in ihn verliebt zu haben. Ich hatte sechs Jahre bei Gelan gelebt und wußte deshalb, wie ich mich benehmen mußte, damit der schöne Dummkopf mir glaubte. Es erregte ihn, als ich ihm meine ›Liebe‹ gestand, und er küßte mich mehrmals.« Sie rümpfte verächtlich die Nase. »Manche Menschen können einfach nicht treu sein. Beim Küssen wuchs seine Erregung, und seine Hände gingen auf Forschungsreise. Er entdeckte so manches, was ihn außerordentlich überraschte. Am meisten überraschte es ihn, als ich ihm den Bauch aufschlitzte.«
»Das ist nach meinem Geschmack!« Talens Augen leuchteten.
»Das dachte ich mir«, sagte Mirtai. »Blutrünstige Geschichten hast du immer schon gemocht. Jedenfalls, als ich den Bauch des schönen Jungen weit aufgeschnitten hatte, quoll alles mögliche aus dem Inneren. Er stolperte rückwärts in einen Sessel und versuchte, das Ganze wieder hineinzustopfen. Eingeweide sind jedoch glitschig, und er hatte ziemliche Schwierigkeiten.«
Ehlana stieß einen würgenden Laut aus.
»Habt Ihr das von den Eingeweiden nicht gewußt?« fragte Mirtai sie. »Laßt es Euch einmal von Sperber erklären, er hat wahrscheinlich schon viele gesehen. Nun, ich ließ den jungen Mann sitzen, wo er war, und versteckte mich hinter einer Tür. Eine Zeitlang später kam Majen nach Haus und war furchtbar entsetzt über den Zustand seines Freundes.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Talen lachte.
»Aber er war noch viel entsetzter, als ich von hinten den
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