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Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Titel: Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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wurden. Die Ehrenwache war in langen Reihen zu beiden Straßenseiten aufgestellt. Noch hieß man sie nicht willkommen, doch als die Kolonne die Hügelkuppe erreichte, erkannte Sperber sogleich den Grund dafür.
    »Großer Gott!« hauchte Bevier ehrfürchtig.
    Eine sichelförmige Stadt umsäumte einen tiefblauen Hafen unter ihnen. Die Sonne hatte längst den Mittag überschritten und schien hinunter auf die Krone von Tamuli: Matherion. Sie war von anmutiger Architektur, und jedes Haus besaß ein kuppelähnliches Dach. Die Stadt war nicht so groß wie Chyrellos, doch war es nicht ihre Größe, die Ritter Bevier den ehrfurchtsvollen Seufzer entlockt hatte; es war die atemberaubende Schönheit Matherions. Die Pracht dieser Stadt war nicht die von Marmor, sondern erinnerte an schillernde Opale. Ein lebendiges, regenbogenfarbiges Feuer schien unter der Oberfläche eines jeden Steins zu brennen, ein Feuer, das den Betrachter mit seinem Glanz schier blendete.
    »Sehet!« sprach Oscagne feierlich. »Schaut die Krone der Schönheit und Wahrheit! Schaut die Heimstatt der Weisheit und Macht! Schaut die schimmernden Kuppeln Matherions, des Mittelpunkts der Welt!«

Vierter Teil
MATHERION

24
    »So sieht sie seit dem zwölften Jahrhundert aus«, erklärte Botschafter Oscagne, als sie den Berg hinab zu der schimmernden Stadt geleitet wurden.
    »Durch Magie?« fragte Talen mit glänzenden Augen.
    »So könnte man es nennen«, erwiderte Oscagne sarkastisch, »aber es ist die Art von Magie, die man mit grenzenlosem Reichtum und unbeschränkter Macht wirkt, nicht mit Beschwörungen. Das elfte und zwölfte Jahrhundert war eine törichte Epoche in unserer Geschichte. Es war die Zeit der Micaen-Dynastie, vermutlich die dümmste kaiserliche Familie überhaupt. Der erste micaenische Kaiser erhielt zu seinem vierzehnten Geburtstag eine Perlmuttschatulle von einem Gesandten der Insel Tega. Der Geschichtsschreibung nach betrachtete er sie oft stundenlang, gebannt von ihren schillernden Farben. Er war so verzaubert von dem Perlmutt, daß er seinen Thron damit überziehen ließ.«
    »Dazu dürfte eine riesige Muschel nötig gewesen sein«, meinte Ulath.
    Oscagne lächelte. »Nein, Ritter Ulath. Sie schnitten Muscheln in winzige Plättchen und fügten sie dicht aneinander. Dann polierten sie die gesamte Oberfläche etwa einen Monat lang. Es ist eine sehr mühsame und teure Verfahrensweise. Wie dem auch sei, der zweite micaenische Kaiser ging einen Schritt weiter und ließ die Säulen im Thronsaal damit umhüllen. Der dritte ließ die Wände damit täfeln, und so weiter. Sie überzogen damit das Schloß, dann alle Außenanlagen, schließlich sämtliche öffentlichen Bauten. Nach zwei Jahrhunderten war jedes Haus in Matherion mit diesen winzigen Plättchen beklebt. Im Hafenviertel gibt es Spelunken, die prächtiger aussehen als die Basilika von Chyrellos. Glücklicherweise starb die Dynastie aus, ehe sie dazu kam, die Straßen mit Perlmutt bepflastern zu lassen. Doch bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie das ganze Imperium in die Armut gestürzt und der Insel Tega unermeßlichen Reichtum gebracht. Teganische Taucher wurden durch ihre Plünderung des Meeresbodens unglaublich reich.«
    »Aber ist Perlmutt nicht sehr zerbrechlich?« fragte Khalad.
    »Das ist es allerdings, junger Mann, und der Klebstoff, mit dem es an die Häuser geheftet wurde, hält nicht ewig. Nach einem Sturm sind die Straßen mit winzigen schimmernden Scherben bedeckt und die Häuser sehen aus, als hätten sie die Blattern. Unser Stolz verlangt es, daß die Plättchen ersetzt werden. Ein mittlerer Orkan kann zu einer bedenklichen Finanzkrise im Imperium führen. Aber wir haben keine Wahl. Die ›schimmernde Stadt‹ wird schon so lange in allen amtlichen Dokumenten erwähnt, daß es anders gar nicht mehr denkbar wäre. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen diese Absurdität erhalten.«
    »Aber sie ist atemberaubend!« sagte Ehlana bewundernd und nachdenklich.
    »Vergiß es, Liebling!« mahnte Sperber eindringlich.
    »Was?«
    »Du kannst es dir nicht leisten. Lenda und ich liegen uns ohnehin schon jedes Jahr in den Haaren, wenn es um den neuen Staatshaushalt geht.«
    »Ich habe es gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, Sperber«, entgegnete Ehlana. »Na ja – nicht zu ernsthaft jedenfalls«, fügte sie hinzu.
    Die breiten Prunkstraßen von Matherion waren mit jubelnden Zuschauern dicht gesäumt, die plötzlich verstummten, als Ehlanas Karosse an ihnen vorbeirollte, weil sie zu

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