Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
hatten soviel Übung darin, sich auf die Knie zu werfen, mit der Stirn den Boden zu berühren und sich wieder aufzurichten, daß ihre Demut beinahe elegant wirkte.
Ehlana, ganz in Königsblau gewandet, gelangte an den Thron und machte einen anmutigen Knicks. Ihre Miene zeigte deutlich, daß sie diese entwürdigende Sitte auf gar keinen Fall mitmachen würde.
Der Kaiser verneigte sich, und ein erstauntes Keuchen ging durch die Menge. Die kaiserliche Verneigung war akzeptabel, wenn auch etwas steif. Sarabian hatte offenbar geübt, doch Verbeugungen waren ungewohnt für ihn. Dann räusperte er sich und redete auf tamulisch – ziemlich viel und lange. Nur hin und wieder machte er eine Pause, damit sein Dolmetscher seine Worte ins Elenische übersetzten konnte.
»Paß auf, wo du hinschaust!« murmelte Ehlana Sperber zu. Ihre Miene verriet nichts, und ihre Lippen bewegten sich kaum.
»Ich hab' sie gar nicht angesehen!« wehrte er sich.
»Erzähl' mir nichts!«
Die Kaiserin Elysoun besaß die nahezu ungeteilte Aufmerksamkeit der Ordensritter und der Peloi, und das genoß sie offensichtlich. Ihre dunklen Augen blitzten, und ihr Lächeln war eine Spur herausfordernd. Sie stand nicht weit von ihrem kaiserlichen Gemahl entfernt und atmete tief – offenbar in einer Art Entspannungsübung, wie es bei ihrem Volk üblich war. Sie erwiderte die Blicke ihrer zahllosen Bewunderer ruhig und überlegend. Den gleichen Blick kannte Sperber von Ehlana, wenn sie Schmuck oder Gewänder auswählte. Er vermutete, daß Kaiserin Elysoun höchstwahrscheinlich für ein paar Probleme sorgen würde.
Kaiser Sarabians Rede war voll förmlicher Phrasen: Sein Herz quelle über. Ihm schwänden vor Freude die Sinne. Ehlanas Schönheit raube ihm die Worte. Er sei überwältigt von der Ehre, die sie ihm mit ihrem Besuch erweise. Er fände ihr Gewand bezaubernd.
Ehlana, die unangefochtene Königin des Wortes, gab rasch die Rede auf, an der sie seit Chyrellos gefeilt hatte, und antwortete mit gleicher Münze. Sie versicherte Sarabian, wie sehr sie von der Schönheit Matherions beeindruckt sei, daß dies unbestritten der Höhepunkt in ihrem Leben sei – Ehlana schien bei jeder Rede, die sie hielt, einen neuen Höhepunkt zu erleben. Sie bewunderte die unvergleichliche Schönheit der Gemahlinnen des Kaisers, vermied allerdings, Kaiserin Elysouns unübersehbare Vorzüge zu erwähnen. Und da es hier Mode zu sein schien, erklärte Ehlana, auch ihr würden vor Freude die Sinne schwinden. Sie dankte Sarabian überschwenglich für den herzlichen Empfang. Sie verlor jedoch kein Wort über das Wetter.
Kaiser Sarabian entspannte sich sichtlich. Er hatte offenbar befürchtet, die Königin von Elenien könnte unbeabsichtigt irgend etwas von Bedeutung sagen, worauf er etwas Bedeutsames antworten müßte, ohne zuvor seine Berater konsultieren zu können.
Er bedankte sich für ihren Dank.
Sie dankte ihm, daß er sich für ihren Dank bedankte.
Dann blickten sie einander an, denn diese Art von Dankesdank ist auch der ehrfürchtigsten Menge nur bis zu einem bestimmten Punkt vermittelbar.
Da räusperte sich ein Hofbeamter mit übertrieben gelangweilter Miene. Er war etwas größer als der durchschnittliche Tamuler, und sein Gesicht verriet nicht im geringsten, was er dachte.
Mit großer Erleichterung stellte Kaiser Sarabian ihn als seinen Reichsverweser, Pondia Subat, vor.
»Komischer Name«, murmelte Ulath, nachdem die Worte des Kaisers übersetzt waren. »Ob seine Freunde ihn wohl ›Pondi‹ nennen?«
»Pondia ist ein Adelstitel, Ritter Ulath«, erklärte Oscagne, »in etwa mit dem eines Herzogs vergleichbar. Hütet euch vor ihm, meine Herren. Er ist nicht euer Freund. Er behauptet, Elenisch nicht zu verstehen; aber ich bin ziemlich sicher, daß er es sogar recht gut beherrscht. Subat hat sich heftig gegen den Vorschlag ausgesprochen, Prinz Sperber nach Matherion einzuladen. Er begründete seine Ablehnung damit, daß es eine Erniedrigung des Kaisers wäre. Ich hörte, daß ihn fast der Schlag getroffen hat, als er des Kaisers Entschluß erfuhr, Königin Ehlana als Gleichgestellte zu behandeln.«
»Ist er gefährlich?« murmelte Sperber.
»Darüber bin ich mir nicht ganz im klaren, Hoheit. Er ist dem Kaiser blind ergeben, und ich frage mich manchmal selbst, wie weit seine Loyalität ihn treiben würde.«
Pondia Subat sprach ein paar Worte.
»Er sagt, er weiß, wie müde ihr von der anstrengenden Reise sein müßt«, übersetzte Oscagne, »und rät euch,
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