Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
dazitischen Kaufmann den Beutel aufgeschlitzt, und da ist außer einer Handvoll Münzen noch dieser Zettel mit der geheimen Nachricht herausgefallen, den ihm einer seiner Mitverschworenen verstohlen zugesteckt hatte. ›Der Tag der Offenbarung des Verborgenen Landes steht bevor! Es ist alles bereit. Wir treffen uns um die zweite Stunde nach Sonnenuntergang, zehn Tage von heute, in Eurem Lagerhaus.‹ Ist das nicht interessant?«
»Allerdings, Caalador. Aber die Nachricht könnte eine Woche alt sein.«
»Ist sie nicht. Der Idiot, der sie schrieb, hat sie datiert!«
»Das kann doch nicht wahr sein!«
»Möge meine Zunge sich grün färben, wenn ich lüge.«
»Kennt Euer Taschendieb diesen dazitischen Kaufmann? Ich möchte dieses Lagerhaus gern aufsuchen und feststellen, welche Art von Waffen dort bereitliegen.«
»Da bin ich Euch weit voraus, Sperber.« Caalador grinste. »Wir haben diesen Daziter aufgespürt, und ich habe meine große Erfahrung als Hühnerdieb genutzt, um in das Lager zu gelangen.« Er öffnete den großen Segeltuchbeutel und zog eine nagelneue Armbrust heraus. »Davon gab es Hunderte, und dazu eine riesige Menge billige Schwerter, vermutlich alles in Lebros in Cammorien hergestellt – die Stadt ist berüchtigt für ihre Ramschware, die sie an Hinterwäldler liefert.«
Sperber drehte die Armbrust in den Händen. »Wirklich primitiv gemacht«, stellte er fest.
»Aber schießen wird man trotzdem damit können – einmal wenigstens.«
»Das erklärt den Baum mit den vielen Armbrustbolzen, den Khalad entdeckte. Hat ganz den Anschein, als erwarte man uns. Unser Freund würde keine Armbrüste brauchen, wenn er nicht wüßte, daß der Gegner Rüstung trägt. Gegen ungerüstete Krieger ist der Langbogen wesentlich wirkungsvoller. Man kann schneller damit schießen.«
»Eines können wir jetzt mit Sicherheit annehmen, Sperber«, sagte Caalador ernst. »Mehrere hundert Armbrüste bedeutet mehrere hundert Verschwörer – ganz von jenen zu schweigen, welche die Schwerter benutzen werden. Das läßt auf äußerst unfreundliche Zeiten sowohl hier in Matherion wie im Hinterland schließen. Ich glaube, wir sollten auf Pöbelhaufen und Straßenkämpfe vorbereitet sein.«
»Da könntet Ihr nur allzu recht haben, mein Freund. Laßt uns überlegen, wie wir diesem Mob die Zähne ziehen.«
Sperber trat an die Tür und öffnete. Wie üblich saß Mirtai unmittelbar davor, mit ihrem Schwert auf dem Schoß. »Würdet Ihr so nett sein und Khalad zu mir schicken, Atana?« ersuchte Sperber sie höflich.
»Und wer bewacht die Tür, während ich fort bin?« fragte sie.
»Ich kümmere mich darum.«
»Warum holt Ihr Khalad dann nicht gleich selbst? Ich werde hier bleiben und für Ehlanas Sicherheit sorgen.«
Sperber seufzte. »Bitte, Mirtai – tut mir den Gefallen.«
»Falls Ehlana irgend etwas zustößt, während ich nicht hier bin, werde ich Euch zur Rechenschaft ziehen, Sperber!«
»Ich werde es mir merken.«
»Hübsches Mädchen, nicht wahr?« sagte Caalador, nachdem die Riesin sich auf die Suche nach Sperbers Knappen gemacht hatte.
»Solche Bemerkungen würde ich vorsichtshalber unterlassen, wenn Kring in der Nähe ist, mein Freund. Er ist mit Mirtai verlobt und sehr eifersüchtig.«
»Sollte ich denn lieber sagen, daß sie häßlich ist?«
»Das wäre auch keine so gute Idee! Dann könnte es nämlich sein, daß sie Euch umbringt.«
»Ein bißchen empfindlich die beiden, nicht wahr?«
»O ja! Ihre Ehe dürfte alles andere als langweilig werden.«
Mirtai kehrte bereits wenige Minuten später mit Khalad zurück. »Ihr habt nach mir gerufen, Ritter Sperber?« fragte Kuriks Sohn.
»Wie würdest du diese Armbrust unbrauchbar machen, ohne daß gleich auffällt, daß jemand sich daran zu schaffen gemacht hat?« Sperber reichte dem jungen Mann die Waffe, die Caalador mitgebracht hatte.
Khalad untersuchte sie. »Ich würde die Sehne fast ganz durchschneiden – hier oben, wo sie angebracht ist«, riet er. »Sie wird reißen, sobald jemand sie zu spannen versucht.«
Sperber schüttelte den Kopf. »Die Gegner laden die Waffen vielleicht schon zuvor. Wie es aussieht, wird jemand damit auf uns schießen wollen, und er soll nichts merken, ehe es zu spät ist.«
»Ich könnte den Abzugsmechanismus unbrauchbar machen«, meinte Khalad. »Der Schütze könnte die Armbrust aufziehen und laden, aber nicht damit schießen – jedenfalls nicht gezielt.«
»Bleibt sie gespannt, bis er abdrückt?«
»Wahrscheinlich. Es
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