Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
ist eine billige Waffe, also erwartet der Schütze vermutlich gar nicht, daß sie sonderlich gut funktioniert. Ihr müßt lediglich diesen langen Stift entfernen, der den Abzug hält, und an seiner Stelle kurze Stifte in die Löcher stecken; dann fällt nicht auf, daß der durchgehende Stift nicht mehr da ist. Die Sehne wird von einer Feder gespannt, ohne den Stift gibt der Abzug die Feder nicht frei. Der Schütze wird die Waffe zwar spannen, aber nicht schießen können.«
»Ich verlasse mich ganz auf dich. Wie lange würdest du brauchen, das Ding auf diese Weise unbrauchbar zu machen?«
»Zwei Minuten.«
»Dann hast du eine lange Nacht vor dir, mein Freund. Es gibt mehrere Hundert dieser Armbrüste, an denen eine solche Änderung vorzunehmen ist – und du wirst es leise und bei schlechtem Licht tun müssen. – Caalador, könnt Ihr meinen Freund in das Lagerhaus dieses dazitischen Kaufmanns schmuggeln?«
»Wenn er leise ist.«
»Da macht Euch keine Sorgen. Khalad stammt vom Lande, genau wie Ihr, und ich vermute, daß er auch genauso geschickt ist, wenn es darum geht, Hasenfallen anzufertigen und Hühner zu stehlen.«
»Sperber!« rief Khalad entrüstet.
»Diese Fähigkeiten sind zu wertvoll, als daß wir sie bei deiner Ausbildung vernachlässigen könnten, Khalad. Und ich habe deinen Vater gekannt, wie du weißt.«
»Sie wußten, daß wir kamen, Sperber«, sagte Kalten verärgert. »Wir haben uns in kleine Gruppen aufgeteilt und uns von den Städten und Dörfern ferngehalten – und trotzdem wußten sie es! Sie haben uns am Westufer des Samasees mit einem Hinterhalt erwartet.«
»Trolle?« fragte Sperber angespannt.
»Schlimmer. Eine ziemlich große Schar übler Burschen, alle mit Armbrüsten bewaffnet. Sie haben lediglich den Fehler gemacht, alle gleichzeitig zu schießen. Hätten sie das nicht getan, wäre vermutlich keiner von uns zurückgekommen, euch davon zu berichten. Unter Engessas berittenen Atanern hat der Feind allerdings tüchtig aufgeräumt. Das machte Engessa so wütend, daß er ein paar von den heimtückischen Kerlen mit den bloßen Händen zerrissen hat.«
Kalte Angst drückte plötzlich auf Sperbers Bauch. »Wo ist Tynian?«
»Er wird gerade von einem Arzt versorgt. Er hat einen Bolzen in die Schulter abgekriegt.«
»Kommt er wieder in Ordnung?«
»Wahrscheinlich. Seine Laune hat es allerdings nicht gerade gebessert. Er kann sein Schwert mit der Linken fast so gut führen wie mit der Rechten. Wir mußten ihn zurückhalten, als die Schurken die Flucht ergriffen. Er wollte jeden einzelnen zur Strecke bringen, obwohl er wie ein abgestochenes Schwein geblutet hat. Ich glaube, wir haben Spitzel hier in dieser nachgebauten Burg, Sperber. Die Kerle hätten den Hinterhalt nicht ohne genaue Informationen über unseren Weg und unser Ziel vorbereiten können!«
»Wir werden die möglichen Verstecke noch einmal sorgfältig durchsuchen.«
»Und wenn wir wieder einen Spitzel erwischen, sollten wir ihn nicht bloß rügen. Mit zwei gebrochenen Beinen beispielsweise kann ein Spion schlecht durch Geheimgänge kriechen.« Das Gesicht des blonden Pandioners wirkte grimmig. »Und ich persönlich werde ihm die Beine brechen!« fügte er hinzu. »Ich möchte nicht, daß es gleich zu wundersamen Heilungen kommt. Ein gebrochenes Schienbein heilt in ungefähr zwei Monaten. Aber wenn man jemandes Knie mit einen Vorschlaghammer bearbeitet, setzt man ihn viel länger außer Gefecht.«
Bevier, der die Überlebenden seiner Truppe zwei Tage später nach Matherion zurückbrachte, ging mit seinem Vorschlag sogar noch weiter. Er hielt es für angebrachter, aufgestöberten Spitzeln die Beine an den Hüften zu amputieren. Der fromme cyrinische Ritter war sehr wütend über den Hinterhalt, den man ihm gestellt hatte, und er kleidete seinen Zorn in Worte, wie Sperber sie bisher noch nie von ihm gehört hatte. Als Bevier sich schließlich beruhigt hatte, suchte er zerknirscht Absolution bei Patriarch Emban. Emban vergab ihm nicht nur, er gewährte ihm sogar Ablaß – für den Fall, daß er es mit weiteren solcher Halunken zu tun bekäme.
Eine gründliche Durchsuchung der opaleszierenden Burg deckte keine versteckten Lauscher auf, und am Tag nach Beviers Rückkehr fanden sich alle zu einer Besprechung mit Kaiser Sarabian und Außenminister Oscagne ein. Um der Sicherheit willen trafen sie sich hoch oben im mittleren Turm, und Sephrenia sprach zusätzlich noch einen styrischen Zauber, der jeden Lauscher zum Scheitern
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