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Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Titel: Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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er sich doch einiges von der Weltgewandtheit seiner Kollegen in der Basilika angeeignet. Er lächelte jetzt hin und wieder und entwickelte offenbar einen verschmitzten, hintergründigen Humor. Sperber war Ortzel mehrmals wiederbegegnet, seit Dolmant den Patriarchen nach Chyrellos berufen hatte, und der große Pandioner erkannte, daß er Sympathie für diesen Mann entwickelte. Natürlich hatte Ortzel immer noch seine Vorurteile, doch er war nun durchaus bereit zu akzeptieren, daß auch andere Meinungen zutreffen mochten.
    »Jemand hat Fyrchtnfles erfunden?« staunte Ulath.
    »O nein. Vor viertausend Jahren gab es wirklich jemanden, der Fyrchtnfles genannt wurde. Wahrscheinlich irgendein Barbar, der seinen Verstand in den Muskeln hatte. Ich könnte mir vorstellen, daß er wie ein furchterregender Wilder ausgesehen hat – kein Hals, flache Stirn, kein Hirn. Nach seinem Tod stürzte sich jedoch irgendein Dichter mit mangelnder Inspiration auf die Schauergeschichten, die sich die Leute über ihn erzählten, und schmückte sie mit all dem abgeschmackten Beiwerk eines Heldenepos aus. Er nannte es die Fyrchtnfles-Saga. Für Lamorkand wäre es besser gewesen, hätte der Mann das Lesen und Schreiben nicht gelernt.« Sperber glaubte tatsächlich Humor herauszuhören.
    »Eine Ballade kann doch unmöglich diese Wirkung haben, Eminenz«, gab Kalten skeptisch zu bedenken.
    »Ihr unterschätzt die Macht einer gut erzählten Geschichte, Ritter Kalten. Ich werde sie übersetzen müssen, um sie euch nahezubringen, aber urteilt selbst.« Ortzel lehnte sich mit halbgeschlossenen Augen zurück.
    »So höret eine Geschichte aus der Zeit, da es noch Helden gab«, begann er. Seine barsche Stimme wurde weicher und klangvoller, während er die alte Ballade vortrug. »Lauschet, ihr tapferen Männer von Lamorkand, den Heldentaten des Schmiedes Fyrchtnfles, des mächtigsten aller Krieger jener Zeit.
    Wie alle Welt weiß, war die heroische Epoche ein Zeitalter der Bronze. Schwer waren die Bronzeschwerter und Äxte in jenen Tagen, und gewaltig die Muskeln der Helden, welche die Waffen in ruhmreichem Kampfe schwangen. Und in ganz Lamorkand gab es keinen mächtigeren Recken als Fyrchtnfles den Schmied.
    Hünenhaft war Fyrchtnfles, mit Schultern wie ein Ochse, denn sein Handwerk formte ihn so, wie er das glühende Metall formte. Schwerter aus Bronze schmiedete er und Speere scharf wie Dolche und Äxte und Schilde und brünierte Helme und Kettenhemden, welche den Hieben der Feinde trotzten, als wären sie nur sanfter Regen.
    Von überallher aus dem finster bewaldeten Lamorkand tauschten Krieger mit Freuden feinstes Gold und glänzendes Silber gegen Fyrchtnfles' Bronze, und der mächtige Schmied wurde reicher und stärker durch seine Arbeit am Amboß.«
    Sperber nahm den Blick von Ortzel und schaute sich um. Die Gesichter seiner Freunde wirkten verzückt. Die Stimme des Patriarchen von Kadach hob und senkte sich in den erhabenen Kadenzen bardischen Gesangs.
    »Großer Gott!« entfuhr es Bevier, als der Patriarch eine Pause machte. »Wie kommt's, daß Eure Geschichte mich so in den Bann schlägt?«
    »Das macht die Art des Vortrags«, erklärte Ortzel. »Der Rhythmus der Sprache betäubt den Verstand und bringt den Puls zum Rasen. Die Menschen meiner Rasse sind anfällig für die großen Gefühle der Fyrchtnfles-Saga. Eine ganze Armee von Lamorkern kann durch die Rezitation einer der schaurigeren Abschnitte in Kampfrausch getrieben werden.«
    »Was geschah weiter?« fragte Talen ungeduldig.
    Ortzel blickte den Jungen lächelnd an. »Doch einem jungen Dieb, der den weltlichen Gütern sehr zugetan ist, kann eine so langweilige alte Ballade gewiß nicht zu Gemüte gehen«, sagte er verschmitzt. Sperber unterdrückte sein Lachen. Offenbar hatte der Patriarch von Kadach sich noch stärker verändert, als er gedacht hatte.
    »Ich mag spannende Geschichten«, gestand Talen. »Aber auf solche Weise hab' ich noch nie eine zu hören bekommen.«
    »Das ist die Macht der Erzählung«, murmelte Stragen. »Manchmal ist die Wirkung nicht so sehr auf den Inhalt einer Geschichte zurückzuführen, sondern auf die Art und Weise des Vortrags.«
    »Also?« wiederholte Talen. »Wie ging es weiter?«
    »Fyrchtnfles fand heraus, daß ein Riese namens Kreindl ein Metall gegossen hatte, mit dem man Bronze wie Butter schneiden konnte«, antwortete Ortzel nun im Plauderton. »Nur mit seinem Schmiedehammer bewaffnet, begab er sich zur Behausung Kreindls, entlockte dem Riesen durch

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