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Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Titel: Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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erleben werden.« Er kniff die Augen verschwörerisch zusammen. »Aber ich rede zuviel. Ich behalte meine Meinung für mich, meine Herren. Jawohl, das tue ich.« Er wirbelte seinen schwarzen Umhang über die Schultern und schritt hocherhobenen Hauptes und mit entschlossener Miene ins Haus zurück.
    »Faszinierender junger Bursche«, bemerkte Stragen. »Irgendwie bringt er meine Fäuste zum Jucken.«
    Sperber brummte beipflichtend und blickte in die regnerische Nacht. »Ich hoffe, es hört bis zum Morgen auf. Ich möchte wirklich aus dieser Kloake heraus.«

11
    Der nächste Morgen dämmerte mit starkem Wind und versprach keine Wetterbesserung. Sperber und seine Begleiter frühstückten hastig und machten sich zum Aufbruch bereit. Der Baron und seine Familie lagen noch in den Betten, und keiner ihrer Gäste war in Stimmung, ihnen ein herzliches Lebewohl zu sagen. Knapp eine Stunde nach Sonnenaufgang brachen sie auf und ritten im meilenfressenden Kanter nordostwärts auf der Landstraße nach Darsas. Obwohl keiner es aussprach, wollten sie so schnell wie möglich fort, ehe ihre Gastgeber auf die Idee kamen, sie zu verfolgen, um wortreich Abschied zu nehmen.
    Im Lauf des Vormittags erreichten sie die weiße Steinsäule, welche die östliche Grenze der Ländereien des Barons markierte. Alle atmeten erleichtert auf. Die Kolonne ritt nun langsamer weiter, und Sperber sowie die anderen Ritter hielten sich dicht an der Karosse.
    Ehlanas Kammerzofe Alean weinte, und sowohl die Königin wie Baroneß Melidere bemühten sich, sie zu trösten.
    »Sie hat ein so sanftes Gemüt«, erklärte Melidere auf Sperbers Frage nach dem Grund für die Tränen des Mädchens. »Die entsetzlichen Verhältnisse in diesem furchtbaren Haus haben sie tief erschüttert.«
    »Hat jemand etwas Ungehöriges zu Euch gesagt?« fragte Kalten die schluchzende Zofe. Sein Verhalten Alean gegenüber war ungewöhnlich. Seit man Kalten klargemacht hatte, die Finger von dem Mädchen zu lassen, war er beinahe fanatisch darauf bedacht, sie zu beschützen. »Falls Euch jemand beleidigt hat, reite ich zurück und bringe ihm Manieren bei.«
    »Nein, Herr Ritter«, antwortete das Mädchen bedrückt, »nichts dergleichen. Es ist nur so, daß sie alle an diesem schrecklichen Ort wie in einer Falle sitzen. Sie hassen einander, aber sie müssen den Rest ihres Lebens beisammenbleiben, und sie werden einander ohne Unterlaß quälen, bis sie alle tot sind.«
    »Vielleicht haben diese Kreaturen den Zorn der Götter heraufbeschworen«, bemerkte Sperber und vermied es, seine Tochter dabei anzusehen. »Also, jeder von uns hatte Gelegenheit, sich mit den Angehörigen des Barons zu unterhalten. Hat irgend jemand etwas Interessantes aufgeschnappt?«
    »Die Leibeigenen stehen kurz vor der Revolte«, sagte Khalad. »Ich habe mich in den Stallungen und Nebengebäuden umgesehen und mit den Leuten gesprochen. Der Vater der Baronin war ein gütiger Herr, wie's scheint; die Leibeigenen haben ihn geliebt. Doch nach dem Tod des Alten zeigte Kotyk sein wahres Gesicht. Er kann sehr brutal sein und greift gern nach der Knute.«
    »Was ist eine Knute?« wollte Talen wissen.
    »Eine Art Geißel«, antwortete sein Halbbruder düster.
    »Eine Peitsche?«
    »Ja, aber es steckt mehr dahinter. Leibeigene sind nicht gerade arbeitswütig – was man durchaus verstehen kann. Und sie sind wahre Künstler, wenn es darum geht, Dummheit oder Krankheit oder Verletzungen vorzutäuschen. Ich nehme an, sie haben es als eine Art Spiel betrachtet. Die Herren wußten, was ihre Leibeigenen ausheckten, und die Leibeigenen wußten, daß sie nicht wirklich jemanden täuschen konnten. Ich glaube sogar, es hat allen Beteiligten Spaß gemacht – bis die Herren vor ein paar Jahren des Spiels plötzlich überdrüssig wurden. Statt die Leibeigenen wie gewohnt durch Überredung oder Schliche zum Arbeiten zu bewegen, griff der Landadel nun zur Knute. Die Herren brachen mit tausend Jahren Tradition und wurden über Nacht gewalttätig – und das können die Leibeigenen nicht begreifen. Kotyk ist nicht der einzige Landherr, der seine Leibeigenen mißhandelt. Die Leute sagen, daß es in ganz Westastel so ist. Leibeigene neigen zur Übertreibung; aber offenbar sind alle überzeugt, daß ihre Herren mit voller Absicht zu brutalen Mitteln greifen, um die alten Rechte abzuschaffen und die Leibeigenen in die Sklaverei zu treiben. Ein Leibeigener kann nicht verkauft werden, wohl aber ein Sklave. Das ist eins der Hauptargumente, mit

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