Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
Geächteten waren bestürzt, denn Cyrgon erteilte ihnen Befehle statt der erhofften Ratschläge. Zalasta dagegen, der in Eosien weit herumgekommen war, riet Ekatas, Cyrgon nahezulegen, die Trolle zu täuschen und nach Nordtamul zu locken. Das tat Cyrgon denn auch. Doch er verlangte mehr. Ynak von Lydros, der stets die Wolke des Haders mit sich trägt, vermochte die Feuer der Unzufriedenheit in Tamuli zu entfachen, doch so zänkisch ist sein Wesen, daß niemand ihm freiwillig folgen würde. Armeen benötigen Heerführer, doch als solche sind Styriker ungeeignet. – Ich sage das nicht als Beleidigung, Sephrenia«, fügte sie rasch hinzu. Xanetia und Sephrenia gingen sehr behutsam miteinander um.
»Ich betrachte es auch nicht als Beleidigung, Xanetia«, versicherte Sephrenia. »Ich mag Soldaten.« Ihr Blick huschte zu Vanion. »Na ja, zumindest einige. Aber ich bin trotzdem der Ansicht, daß die Welt ohne Soldaten ein freundlicherer Ort wäre.«
»Das ist nicht nett von Euch«, beschwerte sich Ulath. »Dürfen wir nicht Soldaten sein, müßten wir uns alle nach ehrlicher Arbeit umsehen!«
Xanetia lächelte; dann fuhr sie fort: »Da Cyrgon ungeduldig wurde, reiste Zalasta nach Arjuna, um seinen Sohn Scarpa für dieses Unternehmen zu gewinnen. Nun ist Scarpa anders als sein Vater. Er greift bereitwillig, ja, eifrig, zur Gewalt. Dank seines gut eingeübten selbstsicheren Auftretens und seiner Jahre als Unterhalter auf schäbigen Jahrmärkten verstand er sich auf die Kunst des Redens. Er vermochte Menschenmassen mitzureißen und aufzuwiegeln. Sein Beruf ist jedoch alles andere als angesehen, und das ist wie ein Stachel in Scarpas Fleisch, denn er hat eine sehr hohe Meinung von sich.«
»Das kann man wohl sagen, kleine Dame!« fiel Caalador ein. »Wenn es auch nur annähernd stimmt, was die Diebe von Arjuna mir berichtet haben, bildet Scarpa sich wahrscheinlich sogar ein, er könne fliegen oder auf dem Wasser schreiten, wenn er es wirklich wollte.«
»So ist es«, bestätigte Xanetia. »Zudem empfindet er unendliche Verachtung für die Götter und einen abgrundtiefen Haß auf Frauen.«
»Das ist bei unehelich geborenen Söhnen nicht selten«, stellte Stragen sachlich fest. »Manche von uns geben unseren Müttern – oder unseren Göttern – die Schuld daran, daß wir von der bürgerlichen Gesellschaft abgelehnt werden. Glücklicherweise hatte ich nie Probleme damit. Vielleicht liegt es daran, daß ich schon immer geistreich und charmant war und daher keine weiteren, tiefergehenden Fragen zu beantworten brauchte.«
»Ich hasse ihn, wenn er so überlegen tut!« klagte Baroneß Melidere.
»Es ist eine schlichte Tatsache, meine liebe Baroneß.« Stragen grinste sie an. »Falsche Bescheidenheit ist ein Zeichen von Dummheit, findet Ihr nicht?«
»Verkündet Eure Lebensweisheiten, wenn Ihr anderen nicht die Zeit damit stehlt, Stragen!« tadelte Ehlana. »Hat Zalasta seinen Sohn in alle Einzelheiten dieses Komplotts eingeweiht, Anarae?«
»Ja, Majestät. Bedenkt man das Wesen der beiden, so herrschte erstaunliche Offenheit zwischen ihnen. Doch Scarpa war sehr jung und hatte eine zu hohe Meinung von seiner Klugheit. Zalasta erkannte rasch, daß die einfachen styrischen Zauber, die er seinen Sohn während seiner unregelmäßigen Besuche in Arjuna gelehrt hatte, zwar genügen mochten, die dortigen Bauerntölpel zu täuschen, jedoch keineswegs für ihre Sache ausreichte. Deshalb brachte er Scarpa nach Verel und gab ihm Ogerajin als Lehrmeister.«
»Wann war das, Anarae?« erkundigte Caalador sich interessiert.
»Vor ungefähr fünf Jahren, Meister Caalador.«
»Dann paßt es zu dem, was wir herausgefunden haben. Vor fast genau fünf Jahren verschwand Scarpa aus Arjuna. Zwei Jahre später kehrte er zurück und begann, da und dort die Massen aufzuwiegeln.«
»Es war eine kurze Ausbildung«, bestätigte Xanetia, »doch Scarpa besitzt eine rasche Auffassungsgabe. Allerdings war es sein Lehrmeister, der die Ausbildung beendete; denn er konnte den Hochmut des jungen Mannes nicht mehr ertragen.«
»Dieser Scarpa ist offenbar einer von denen, die niemand ausstehen kann«, bemerkte Talen. »Ich habe ihn nie kennengelernt, kann ihn aber jetzt schon nicht leiden.«
»Selbst Zalasta war ein wenig erschrocken über die Hochnäsigkeit und unfreundliche Art seines Sohnes«, erklärte Xanetia. »Um ihm ein wenig Höflichkeit beizubringen, nahm er ihn nach Cyrga mit, wo ihm ihr Meister vielleicht ein wenig Respekt einflößen würde.
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