Tamuli 3 - Das Verborgene Land
den Preis doch nicht etwa schon wieder erhöht?« »Nein, der Preis ist wie zuvor.«
»Ich wette, er ist zehnmal so hoch wie der, den du fürs Bier bezahlt hast.«
»Ganz so groß ist mein Gewinn nun auch wieder nicht. Wo sollen wir das Bier ausschenken?«
»Am gleichen Fleck wie letztes Mal. Ich werde den Jungs Bescheid sagen. Dann können sie sich schon mal anstellen.«
»Diesmal hätt' ich aber gern ein paar Wachen, Mondra«, erklärte Senga. »Ich will nicht, daß es wieder zu einem solchen Aufruhr kommt wie vergangene Woche, als das letzte Faß leer wurde.«
»Ich werd' mich darum kümmern. Aber heb mir ja genügend auf!«
Der Ochsenkarren rumpelte durch das Tor auf eine breite Straße, wo die Kopfsteine fast schon wieder moosfrei waren. Offensichtlich war hier in Natayos in den letzten Jahren viel ausgebessert worden. Die behauenen Steine der eingefallenen Mauern hatte man neu, aber ziemlich sorglos aufgestapelt und mit entrindeten Baumstämmen abgestützt. Zerfallene Dächer, in denen sich kreischende, tropische Vögel eingenistet hatten, waren durch Matten aus grob geflochtenen biegsamen Zweigen ersetzt worden. Da und dort zeigten halbverbrannte Haufen aus Baumholz und Gesträuch, wo unerfahrene Arbeiter versucht hatten, sich der Unmengen von Gestrüpp zu entledigen, das sie aus Häusern und von den Straßen entfernt hatten. Die Männer, die hier einquartiert waren, lungerten auf den Straßen herum. Es handelte sich um Elenier aus Astel, Edomer und Daziter, Arjuner und Cynesganer. Es war eine schlecht gekleidete, heruntergekommene Meute, die nicht den Eindruck vermittelte, als wüßte sie auch nur, was das Wort Disziplin bedeutete.
»Was verlangst du dafür?« Kalten klopfte auf eines der Fässer.
»Einen Penny pro Halbeschoppenbecher«, antwortete Senga. »Das ist Wucher!«
»Die Kerle müssen es ja nicht kaufen.« Senga zuckte die Schultern. »Kassier das Geld, bevor du einschenkst. Laß dich bloß nicht mit Versprechen abspeisen.« Kalten lachte. »Du hast meine Gewissensbisse beseitigt, Senga. Bei diesem Preis ist das wirklich nicht ehrlich.« »Da drüben ist das Haus, das ich erwähnt habe.«
Kalten bemühte sich, gleichmütig dreinzublicken, als er sich zu der ziemlich stabil zusammengeflickten Ruine umdrehte. »Sie wollen wirklich nicht, daß da jemand hineinschaut. Bei diesen Gittern am Fenster könnte man meinen, daß es sich um Kerker handelt, stimmt's?«
»Nicht ganz, Col. Die Gitter sollen niemand drinnen halten, sondern die Leute von dem Bau fernhalten!«
Kalten brummelte etwas und starrte weiterhin angestrengt auf das Haus. Die vergitterten Fenster hatten Glasscheiben – billiges, trübes Glas, das unfachmännisch eingesetzt war. Vorhänge im Innern verhinderten, daß man sehen konnte, was oder wer sich dahinter aufhielt. An der Haustür und an jeder Ecke waren Wachen postiert. Vor hilflosem Zorn hätte Kalten am liebsten laut aufgeheult. Das sanfte Mädchen, das zum Mittelpunkt seines Lebens geworden war, befand sich wahrscheinlich keine zwanzig Meter von ihm entfernt, hätte sich aber ebensogut auf der erdabgewandten Seite des Mondes aufhalten können. Und selbst, wenn sie ihn durch das trübe Glas zu sehen vermocht hätte, würde sie ihn seiner veränderten Züge wegen nicht erkennen.
Senga bezahlte die Wachen auf dem Platz mit Bier; dann machten er und sein Freund sich an die Arbeit. Scarpas Rebellen grölten und lachten und waren offenbar im ganzen guter Laune. Sie stellten sich in einer Reihe auf und traten jeweils paarweise an den Karren heran, wo Senga und Kalten ihre Trinkbehälter mit bernsteinfarbenem Bier füllten. Es gab ein paar Auseinandersetzungen darüber, wieviel Flüssigkeit in die verschiedenen Becher, Krüge und Kannen ging, doch Sengas Entscheidung war unumstößlich, und jeder, der zu laut aufbegehrte, wurde ans Ende der Schlange zurückgeschickt, wo ihm eine gute Stunde Zeit blieb, über seinen Protest nachzudenken, bis er sich wieder nach vorn gearbeitet hatte. Nachdem die beiden Bierlieferanten das letzte Faß geleert und die enttäuschten Kunden davon geschickt hatten, die zu spät gekommen waren, sah Kalten eine bekannte Gestalt über den Platz zum Ochsenkarren wanken. Krager sah gar nicht gut aus. Sein Schädel war kahl geschoren und bleich wie ein Fischbauch, und sein hageres Gesicht von Jahrzehnten zügellosen Saufens gezeichnet. Seine ehemals so prächtige Kleidung hing ihm ausgebeult, zerknittert und schmutzig vom Körper, den in fast
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