Tamuli 3 - Das Verborgene Land
und dich umsiehst. Falls Mutter wirklich dort gefangengehalten wird, dürften wir diese Sache rasch bereinigen. Sperber braucht nur zu erfahren, wo sie ist, dann wird er auf Scarpa und seinen Vater hinunterdonnern wie ein rachsüchtiger Berg. Wenn er mit seinen Feinden fertig ist, wird Natayos nicht einmal mehr eine Ruine sein – nur noch ein riesiger Krater.«
»Er hat sie wirklich gesehen«, berichtete Talen. »Seine Beschreibung war zu gut, als daß er es sich nur ausgedacht haben könnte.« Der junge Dieb war soeben von einem Ausflug in die Unterweltviertel Beresas zurückgekehrt.
»Was ist er für ein Mensch?« fragte Sperber. »Es ist zu wichtig für uns, als daß wir uns auf Gerüchte verlassen dürften.«
»Er ist Daziter«, antwortete Talen. »In den Gossen von Jura aufgewachsen. Seine politische Einstellung reicht gerade bis zu seinem Geldbeutel. Er hat darauf gehofft, an der Plünderung Matherions teilnehmen zu können. Das war der Hauptgrund, daß der Kerl überhaupt zu Scarpas Armee gegangen ist. Ganz sicher ist er kein Mann mit hohen Idealen. Als er nach Natayos kam und befürchten mußte, daß die ganze Sache in Kampf ausarten würde, verlor er das Interesse. Wie dem auch sei – ich bin in der schäbigsten Spelunke, die ich je betreten habe, auf den Kerl gestoßen, und er war stockbesoffen. Glaubt mir, Fron, er war nicht in dem Zustand, daß er mich hätte belügen können! Ich hab' ihm vorgeflunkert, zu Scarpas Armee gehen zu wollen, und da wurde er richtig väterlich zu mir. ›Schschlag dir dasch ausch'm Kopf, Junge. Sischt schrecklisch dort …‹ Und so weiter, und so fort. Er meinte, Scarpa sei ein gemeingefährlicher Irrer, der sich für unschlagbar hält und sich einbildete, die Ataner bloß anpusten zu müssen, dann würden sie verschwinden. Außerdem sagte der Kerl, er hätte gerade den Entschluß gefaßt, zu desertieren, als Scarpa mit Krager, Elron und Baron Parok nach Natayos zurückkam. Sie hatten die Königin und Alean dabei, und Zalasta empfing sie am Tor. Der Daziter war zufällig in der Nähe; deshalb konnte er hören, was sie sagten. Offenbar ist Zalasta nach wie vor rücksichtsvoller als sein mißratener Bengel. Es gefiel ihm gar nicht, wie Scarpa seine Gefangenen behandelt hatte. Die beiden gerieten in Streit, und Zalasta bearbeitete seinen unartigen Sohn sehr schmerzhaft mit Magie. Wahrscheinlich hat Scarpa sich eine Zeitlang wie ein Wurm auf einem heißen Stein gewunden. Dann hat Zalasta die Damen zu einem großen Haus geführt, das extra für sie hergerichtet worden war. Nach den Worten meines Deserteurs ist dieses Haus beinahe luxuriös – sieht man von den Gittern vor den Fenstern ab.«
»Der Mann könnte das alles einstudiert haben!« gab Sperber besorgt zu bedenken. »Vielleicht war er gar nicht so betrunken, wie es den Anschein hatte.«
»Glaubt mir, Fron, er war besoffen!« versicherte Talen ihm grob. »Auf dem Weg zu der Spelunke hab' ich mir einen Beutel angeeignet – nur, um in Übung zu bleiben –, deshalb hatte ich eine hübsche Summe Geld. Ich hab' soviel Schnaps in den Kerl hineingetrichtert, daß ein ganzes Regiment gelallt hätte.«
»Ich glaube, er hat recht, Fron«, warf Stragen ein. »Es sind einfach zu viele Einzelheiten, als daß es eine erfundene Geschichte sein könnte.«
»Und selbst wenn dieser Deserteur ausgeschickt worden wäre, sich unseretwegen Lügenmären auszudenken – warum hätte er dann Zeit und Mühe an einen jungen Taschendieb vergeuden sollen?« fügte Talen hinzu. »Keiner von uns schaut mehr so aus, wie Zalasta uns das letzte Mal gesehen hat. Und ich bezweifle, daß selbst er auf den Gedanken kommen könnte, daß Sephrenia und Xanetia sich zusammengetan haben, um unser Äußeres zu verändern.«
»Trotzdem bin ich der Meinung, wir sollten jetzt nichts unternehmen«, sagte Sperber. »Aphrael wird Xanetia in ungefähr einem Tag in Natayos absetzen, und die Anari kann mühelos herausfinden, ob es sich bei den Gefangenen in dem luxuriösen Haus tatsächlich um Ehlana und Alean handelt!«
»Wir könnten uns aber wenigstens ein bißchen näher heranwagen!« brummte Stragen.
»Warum?« Sperber tippte auf die Wulst unter seinem Kittel. »Entfernung spielt für meinen blauen Freund hier keine Rolle. Sobald ich Gewißheit habe, daß Ehlana sich dort befindet, werden wir Zalasta und seinem Bastard einen Besuch abstatten. Vielleicht fordere ich sogar Khwaj auf, uns zu begleiten. Er hat bestimmt Pläne mit ihnen, die mich
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