Tango Vitale
sie da.« Die Frauen arbeiteten einen genauen Plan aus, wann sich jede von ihnen um die Kranke kümmert.
Allerdings schlagen die Folgen des Handelns für Außenstehende nicht immer so offensichtlich auf die Verursacher zurück. Vielmehr sieht es häufig so aus, als ginge es in der Welt ungerecht zu: Sozial Engagierte leiden unter Burnout, statt die verdiente Anerkennung zu |54| erhalten. Das Vertrauen von Gutmenschen wird missbraucht. Mobber gewinnen die Oberhand, Opportunisten machen Karriere, Scharlatane haben einen unglaublichen Erfolg. Doch wenn wir genauer hinschauen, entdecken wir, dass sich die negativen Folgen hier oft einfach nur auf einem anderen Gebiet zeigen. In puncto Macht, Geld oder Status mögen sich solche Menschen zwar als Gewinner präsentieren, dafür leiden sie meist unter gesundheitlichen Problemen, Depressionen, Sucht oder mangelndem Respekt. Dagegen darf man es bei den scheinbaren Verlierern durchaus als positive Wirkung werten, dass sie ein gutes Gewissen haben, ebenso wie die Befriedigung, sich für die eigenen Werte einzusetzen, auch wenn es dafür kein Lob gibt. Nicht zuletzt gilt der Spruch der alten Römer: »Quidquid agis, prudenter agis et respice finem – Was immer du tust, handle klug und bedenke das Ende.« Wir sollten uns bewusst sein, das Ursache und Wirkung zwar manchmal weit auseinanderliegen können, aber eines Tages ist Erntezeit. Spätestens dann lohnt es sich, das Richtige gesät zu haben. Jeder von uns hat die freie Wahl. Doch um sie auch klug treffen zu können, sollten wir schon genau wissen, bei welcher Ursache wir ansetzen müssen. Die liegt nicht immer dort, wo wir sie auf den ersten Blick vermuten.
Die Ursache an der richtigen Stelle suchen
Vieles, was wir als schicksalhafte Wirkung ansehen, hat bei genauerem Hinsehen seinen Ursprung in uns selbst, in unseren Gefühlen und Gedanken. Bevor Sie deshalb vorschnell eine äußere Ursache annehmen, fragen Sie sich bitte: Könnte es nicht auch etwas in mir sein, das mich so reagieren lässt? Nicht alles ist eine echte Ursache, obwohl es auf den ersten Blick so aussieht, als könnten wir die Kausalität eindeutig identifizieren.
Starten Sie doch einmal eine kleine Umfrage unter Freunden: »Woran |55| liegt es, dass es dir gerade gut geht?« Bestimmt erhalten Sie Antworten wie: »Ich habe einen tollen Mann kennen gelernt«. »Weil die Sonne scheint.« »Ab morgen habe ich Urlaub.« Oder erkundigen Sie sich danach, warum sich jemand schlecht fühlt. Dann hören Sie wahrscheinlich so etwas: »Mein Chef nervt.« »Die Handwerker haben mich sitzen lassen.« »Wegen der Finanzkrise fehlen mir Aufträge.« Solche Antworten haben eines gemeinsam: Sie verweisen auf eine Ursache außerhalb von uns selbst. Wir sind es gewohnt, die Gründe für unser Glück oder Unglück auf Menschen oder Situationen zu verlagern. Das ist so typisch, dass es uns schon gar nicht mehr auffällt. Wir nehmen das Offensichtliche an, anstatt den wahren Grund herauszufinden. Das gilt für schöne Ereignisse ebenso wie für unangenehme. Tatsächlich aber verhält es sich in vielen Fällen so, wie es der schwedische Regisseur und Autor Kay Pollak aus eigener Erfahrung für negative Erlebnisse formuliert: »Ich bin nur höchst selten aus den Gründen irritiert, verärgert oder zornig, die ich für ursächlich halte.« Er erläutert diese Einsicht: »Vielleicht hat ein anderer einen empfindlichen Punkt von mir getroffen. Oder es waren meine Ängste, mein mangelndes Selbstbewusstsein, mein Kontrollbedürfnis oder meine fehlende Flexibilität, die mich aus dem Gleichgewicht brachten. In jedem Fall hatte meine Irritation etwas mit meinem Inneren zu tun, das ich nicht sehen wollte oder konnte. Ich reagierte nach dem alten Muster – ich beschuldigte jemand anderen (projizierte), um mein Unbehagen zu unterdrücken. Ich versuchte mir einzureden, dass die Ursache für meine Gefühle außerhalb von mir läge.« Pollack zieht daraus ein bemerkenswertes Fazit: »Kein Mensch kann es erreichen, dass ich mich ärgere. Denn wenn ich mich ärgere, bin ich selbst derjenige, der es so will.« 13
Neulich im ICE nach Stuttgart ging es mir ähnlich. Ich fand ein Abteil, in dem nur eine Frau saß und Kreuzworträtsel löste. »Super«, dachte ich glücklich, »hier kann ich in Ruhe arbeiten.« Endlich einmal Zeit, ohne Ablenkung ein Fachbuch zu lesen. Das klappte auch hervorragend – |56| bis in Bremen ein junger Mann mit Laptop zustieg. Er stellte das Gerät an und
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