Tango Vitale
Stunde der Experten: Sie besitzen das Know-how, ohne das Sie auf dem Weg zu einer besseren Leistung kaum weiterkommen.
Dazu ist es nicht unbedingt nötig, dass Sie sich dieses Spezialwissen direkt von den Profis abholen. Auch andere Vermittlungen sind möglich. Die meisten Experten schreiben Bücher, stellen DVDs oder Kassetten her, mit denen sie ihre Kenntnisse weitergeben. Dass diese Form funktioniert, bestätigen mir selbst zahlreiche Briefe und Mails von Leserinnen und Lesern.
Beim Üben in der Lernzone ist es selten mit ein paar Mal getan, das liegt schon in der Natur der Sache. Wie oft und wie lange Sie allerdings Ihre Fertigkeit oder Ihr gewünschtes Verhalten proben müssen, ist unterschiedlich. Lediglich das Ziel steht fest: Es muss zur Routine werden. Sicher dürfen Sie sich erst dann fühlen, wenn Sie jederzeit in der |89| Lage sind, Ihre Leistung abzurufen. Gewiss wird es auch für Sie herausfordernde Situationen geben, die Sie nur bewältigen, wenn Sie dank wiederholtem Üben Ihr Metier im Schlaf beherrschen – wie Hanna, Kundenberaterin in einer Werbeagentur, die ihre Unterlagen im Zug vergessen hatte und den Kunden trotzdem überzeugte, oder Jörg, Junior Produktmanager in einem Kosmetikkonzern, der überraschend einem Fernsehreporter Rede und Antwort zu einem Produkt der Firma stehen musste und die Situation geschickt in unbezahlbare Werbeminuten verwandelte. Sicherheit, die Sie durch wiederholtes Üben auf Ihrem Talentgebiet erreichen, bezeichnet man auch als Professionalität.
Das Flaschenhals-Syndrom
Das Gebiet, auf dem Sie weiterkommen wollen, begeistert und fasziniert Sie? Dann wird es für Sie pures Vergnügen sein, hier so richtig Gas zu geben und konsequent zu üben.
Tut mir leid, aber das ist ein Mythos. Er wird gerne von Menschen verbreitet, die offenbar vergessen haben oder nicht zugeben wollen, wie hart sie sich ihren Erfolg erarbeiten mussten. Glauben Sie keinem, der Ihnen weismachen will, er wäre beim Üben auf seinem Gebiet ständig in Hochstimmung. Weiterkommen in der Lernzone bedeutet schließlich, den Fokus auf die eigene Schwäche zu legen – und das ist zunächst einmal ziemlich frustrierend.
Julia ist als Make-up- und Hairstylistin sehr gefragt. Heute schminkt sie Models bei einer Modewoche in London, morgen in Kapstadt bei einem Werbeshooting für eine bekannte Automarke. »Als ich in dem Job anfing«, erzählt sie, »war ich nur für das Make-up zuständig, für Frisuren gab es andere Profis. Aber dann verlangte man immer öfter, dass ich beides beherrschte. Auf diesem Gebiet musste ich unbedingt |90| nachlernen. Ich bat eine Friseurin, mir die Grundlagen beizubringen. Und dann übte ich an Modellen. Ich habe oft genervt den Kamm hingeworfen, weil ich die gefragten Hochsteckfrisuren einfach nicht hinbekam. Aber ich gab nicht auf.«
Harrys Problem war nicht handwerklicher Art wie bei Julia. Er ist Dozent für Philosophie an einer Universität, sein Spezialgebiet sind die Werke von Immanuel Kant. Auf seinem Gebiet ist er eine Koryphäe, doch was ihm fehlte, war pädagogisches Geschick. Zu Beginn des Semesters drängten sich die Studenten in seinem Seminar, doch schon nach kurzer Zeit wurde der Hörsaal immer leerer. Harry vermittelte den Stoff unverständlich und außerdem knochentrocken. Irgendwann dämmerte ihm, dass die Abwanderung nicht nur an der lernunwilligen Zuhörerschaft oder der schwierigen Thematik liegen konnte. Auf den Rat eines Freundes suchte er sich einen Coach, der ihn in Rhetorik und Auftreten schulte. »Dabei kam ich mir wie ein Clown vor«, erinnert er sich. »Ich hatte Hemmungen, aus mir herauszugehen.« Erst nach zahlreichen Sitzungen fing Harry an, sich mit seinem neuen Verhalten wohlzufühlen.
Statt lustvollem Weiterkommen spüren wir zunächst unser Unvermögen. In dieser Phase erleben wir garantiert einige Rückschläge. Oft genug schwirren uns Sätze im Kopf herum wie: »Ich tue, was ich kann, aber ich komme einfach nicht weiter.« »Wieso kapiere ich das nicht?« »Warum klappt das denn nicht?« Diesen quälenden Zustand bezeichne ich als Flaschenhals-Syndrom. Es handelt sich um einen geistigen, seelischen und je nach Bereich auch körperlichen Engpass, den es zu überwinden gilt. Leider geben viele Menschen an diesem heiklen Punkt auf. Zum Teil geschieht das aus Bequemlichkeit, doch noch öfter, weil sie den Glauben an sich selbst verlieren. Gefahr ist im Verzug, wenn wir denken: »Ich bin nicht talentiert genug.« »Das ist
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