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Tante Dimity und der Kreis des Teufels

Tante Dimity und der Kreis des Teufels

Titel: Tante Dimity und der Kreis des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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setzte ihn neben mich.
    »Es ist entweder ein sehr großes Handy«, sagte ich zu ihm, während ich das Packpapier aufriss, »oder ein kleines Handy in einem großen Karton. Auf jeden Fall ist es …« Ich unterbrach mich, und mein Mund blieb offenstehen, nachdem ich die letzte Papierhülle entfernt hatte.
    Bill hatte mir kein Handy geschickt. Es war ein dunkelblau gebundenes Tagebuch mit leeren Seiten.
    »Tante Dimity?« Ich zwinkerte überrascht, zu überwältigt, um zu sprechen, doch dann warf ich den Kopf zurück und musste schallend lachen.
    »Okay, Teddy«, sagte ich, »jetzt spukt es wirklich in Wyrdhurst.«

    Dimity Westwood war die beste Freundin meiner Mutter gewesen und meine größte Wohltäterin. Sie hatte mir ein beträchtliches Vermö gen hinterlassen, zusammen mit dem Cottage aus honigfarbenem Sandstein, in dem ich jetzt wohnte. Vor etwas mehr als fünf Jahren war sie gestorben, aber ihr Tod hinderte sie nicht daran, sich noch immer lebhaft für mich zu interessieren.
    Obwohl ihre sterblichen Überreste schon längst zu Staub geworden waren, blieb Tante Dimity noch immer mit mir in Verbindung.
    Wenn ich das blaue Tagebuch aufschlug, erschien ihre Handschrift und füllte die leeren Seiten mit guten Ratschlägen, treffenden Kommentaren und Beobachtungen, aus denen eine große Klugheit sprach. Es war Dimity zu verdanken, dass ich keine Furcht vor den Geistern einer anderen Welt hatte. Sie selbst war das gütigste aller Wesen, das selten unaufgefordert erschien und immer nur helfen wollte. Voll freudiger Erwartung setzte ich mich in den Schneidersitz, das aufgeschlagene Buch auf dem Schoß.
    »Dimity?«, sagte ich. »Was führt dich nach Wyrdhurst?«
    Die leere Seite erwachte zum Leben, als die vertraute elegante Kursivschrift in königsblauer Tinte erschien, eine Schrift, die Edwards unbeholfenes Gekrakel weit in den Schatten stellte.
    Lori , du musst sofort von hier weg .
    »Aber das ist doch Unsinn«, sagte ich und zog Teddy näher an mich heran. »Mir gefällt es hier.
    Und ich habe hier eine Aufgabe. Zwei Aufgaben, genauer gesagt. Erstens soll ich die Bibliothek
    …«
    Das ist mir egal , selbst wenn du hier zwanzig Aufgaben hättest . Du musst sofort weg von hier .
    Ich starrte auf Dimitys Worte, überrascht von ihrer Nachdrücklichkeit. Normalerweise erteilte sie mir keine Befehle.
    Du scheinst nicht zu merken , welche Wirkung dieses Haus auf dich ausübt . Die Schrift blieb einen Augenblick stehen. Wann hast du das letzte Mal mit Bill telefoniert?
    Ich dachte einen Moment nach.
    »Gestern«, sagte ich schließlich. »Gleich nachdem ich ankam.«
    Das siehst du ’s . Den ganzen heutigen Tag hast du deinen Mann noch nicht einmal angerufen .
    »Er weiß, wo ich bin«, erinnerte ich sie.
    Darum geht es nicht .
    »Worum geht es dann?«, fragte ich ein wenig aufgebracht.

    Du bist nicht du selbst . Die Bewohnerin dieses Hauses beeinflusst dich auf eine Art und Weise , dass du dich schamlos benimmst .
    »Schamlos?« Die Beschuldigung schockierte mich. »Ich habe nichts Verwerfliches getan.«
    Das wirst du aber , wenn du nicht sofort abreist . Ich hätte es wissen müssen . Ich gebe mir selbst die Schuld dafür .

»Dimity«, sagte ich, »du brauchst dir überhaupt keine Schuld zu geben. Und du hast auch wirklich keinen Grund, mich zu beschuldigen.
    Ich habe nichts Schlimmeres auf dem Gewissen, als dass ich vergessen habe, Bill anzurufen.«
    Aber warum hast du vergessen , ihn anzurufen? Ich vermute , weil du an jemand anderen gedacht hast . Vielleicht an einen anderen Mann?
    Einen sehr jungen Mann mit dunklen Augen und dunklem Haar , der …
    »So jung ist er gar nicht«, unterbrach ich sie.
    »Ich würde sagen, er ist um die vierzig – ein recht fitter Vierzigjähriger.«
    Aha .
    Ich spürte ein leichtes Ohrensausen, und mir wurde etwas schwindlig.
    Du musst tun , was ich dir sage , Lori . Ich bin hier , um dir zu helfen . Ich will nicht , dass man dir wehtut .

    Tante Dimitys Handschrift schien zu zittern, dann verschwamm sie auf dem Blatt und stand kurz als verblassender blauer Streifen in der Luft, ehe sie sich auflöste. Ich ließ das Tagebuch fallen und presste die Hände gegen die Schläfen. Das Zimmer schien unerträglich beklemmend und die Luft so stickig, dass ich kaum atmen konnte.
    Taumelnd ging ich zum Fenster und stieß es weit auf.
    Die Gardinen bauschten sich um mich, und die Bettvorhänge flatterten, aber der scharfe Wind machte meinen Kopf so schnell klar wie ein Eimer eiskaltes Wasser.

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