Tante Dimity und der Kreis des Teufels
aufgeräumt worden war.
Das schmale Eisenbett stand wieder in seiner Ecke und der Sessel auf seinem alten Platz vor dem Kamin. Dennoch schien mir die Hütte so vertraut wie mein eigenes Haus, ein sicherer Ort, wo ich mich von diesem neuen Zwischenfall erholen konnte.
Adam zog einen Stuhl unter dem Kieferntisch hervor und setzte sich mir gegenüber vor den Kamin.
Ich musste schrecklich ausgesehen haben und fühlte mich zerbrechlich wie eine Porzellantasse, so als würde ich bei der leisesten Erschütterung zerspringen. Mit Tränen in den Augen sah ich Adam an und sagte: »Ich bin nicht verrückt.«
»Ich weiß.«
»Was ich jetzt mache, wird dir verrückt vorkommen« – meine Stimme versagte, und eine Träne rann über meine Wange –, »aber das ist es nicht.«
»Ich glaube es dir.«
Ich wischte die Tränen weg und öffnete das blaue Buch.
»Es tut mir leid, Dimity«, sagte ich. »Es tut mir schrecklich leid. Du wolltest mich warnen, aber ich wollte es nicht hören.«
Während die elegante Kursivschrift auf der Seite erschien, wurde ich immer ruhiger. Dimitys Liebe war wie ein Schutzschild, der mich vor allem Übel bewahrte. Solange sie in meiner Nähe war, konnte mir nichts geschehen.
Erzähle , was ist denn passiert , Liebes?
»Es passiert schon seit einiger Zeit, aber ich habe es bis heute nicht bemerkt.«
Ich holte tief Luft.
»Ich habe Erinnerungen und … und Gefühle, die nicht die meinen sind. Es ist, als ob … jemand anderes … in meinem Kopf ist.«
Es ist jemand anderes in deinem Kopf , Liebes .
Ich sagte es dir bereits , du bist nicht du selbst .
Jedenfalls nicht ganz . Es ist meine Schuld . Deine Beziehung zu mir hat dich angreifbar gemacht .
Wenn die Tür zwischen den Lebenden und den Toten erst einmal aufgestoßen ist , weiß man nie , wer hindurchschlüpft . Wir sind nicht alle nett , hilfsbereit und vernünftig , weißt du . Einige von uns sind völlig verrückt .
»Willst du damit sagen …?« Ich unterbrach mich, mir fehlten die Worte. Ich hatte Dimitys Anwesenheit in meinem Leben immer als einen Segen empfunden. Es war mir nie in den Sinn gekommen, dass sie auch eine Belastung bedeuten konnte. »Willst du damit sagen, dass jedes körperlose Wesen, das zufällig vorbeikommt, sich einfach in meinem Kopf einnisten kann?«
Ganz so ist es nicht . Aber möglicherweise geht es dir seit deiner Ankunft in Wyrdhurst Hall nicht ganz so gut wie sonst? Leidest du vielleicht unter Schwindel , Kopfschmerzen , Übelkeit?
»Unter allem.«
Das dachte ich mir . Du bist schon immer ein Dickkopf gewesen , Lori , und bewundernswert selbstständig . Niemand könnte sich kampflos in deinem Kopf einnisten . Daher die Kopfschmerzen .
»Wer ist in meinem Kopf?«, fragte ich, obwohl ich mir die Antwort bereits denken konnte.
Jemand namens Claire .
»Claire Byrd?«
Sie hat hier keinen Nachnamen , aber wenn
» Claire Byrd « dir etwas sagt , dann wird sie es zweifellos sein . Ich nehme an , du interessierst dich für diese Claire Byrd .
»Ja, sehr«, bestätigte ich.
Das war zweifellos von ihr beabsichtigt . Sie beeinflusst dich schon , seit du in Wyrdhurst bist .
Darum habe ich darauf bestanden , zu dir zu kommen . Ich habe bemerkt , dass unsere Beziehung arg ins Wanken geraten war . Und ich wette , das trifft auf andere Beziehungen ebenfalls zu .
Als ich daran dachte, wie das Foto von meinen geliebten Kindern zu Boden gefallen war, bekam ich Gewissensbisse. »Meine Ehe und meine Mutterliebe«, murmelte ich. »Wie konnte ich nur, Dimity? Wie konnte ich meine Familie vergessen?«
Du darfst dir dafür nicht die Schuld geben , Lori . Claire ist ein sehr kluges und verzweifeltes Mädchen .
»Warum hat sie sich ausgerechnet mich ausgesucht?«, wollte ich wissen. »Die Hausherrin von Wyrdhurst ist nicht halb so halsstarrig wie ich.
Warum hat Claire sich nicht für Nicole entschieden?«
Ist Nicole noch Jungfrau?
»Ich glaube schon.«
Claire hat ein großes Bedürfnis , ihre körperliche Zuneigung auszudrücken . Es würde ihr schwerfallen , sich dazu einer unerfahrenen Frau zu bedienen . Nicoles Unwissenheit hat sie vermutlich geschützt .
Andererseits bist du ein leidenschaftlicher Mensch und verfügst über die nötige Erfahrung .
Und – ich hoffe , du verzeihst mir meine Offenheit – du riskierst gern ein Auge . Ich vermute , ein attraktiver Mann ist ebenfalls zur Stelle?
Ich drehte mich nach Adam um, der still damit beschäftigt war, Tee zu machen. Ich erinnerte mich an die Wärme,
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