Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tante Dimity und der Kreis des Teufels

Tante Dimity und der Kreis des Teufels

Titel: Tante Dimity und der Kreis des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
Vom Netzwerk:
sie.
    »Nein«, sagte ich. »Claires Höhle.«
    Die fensterlose Kammer wirkte leblos wie ein verlassenes Spielwarengeschäft. Sie war voller Schränke und Regale, die bis auf den letzten Platz mit Spielsachen angefüllt waren.
    Es gab Musikboxen, Marionetten, Puzzles und Reifen, mechanische Spielsachen und Porzellanfiguren. Es gab Puppenwagen und Puppenbetten und Puppen aller Art, angefangen von der bescheidenen Stoffpuppe mit Wollhaaren bis hin zum hochmütigen Prachtstück mit Porzellankopf. Ein Puppentheater mit Vorbühne stand zwischen einem gescheckten Schaukelpferd und einem Puppenhaus, das vom Keller bis zum Speicher mit dem entzückendsten Miniatur-Hausrat ausgestattet war.
    Das Licht meiner Taschenlampe fiel auf die Räder eines eleganten Puppenwagens aus Korbgeflecht. Ich bückte mich, um ihn näher heranzuziehen, während Nicole sich bereits zum nächsten Schrank vortastete.
    »Lori!«, sagte sie. »Schau mal!«
    Es war ein Kleiderschrank, der einer Prinzessin würdig gewesen wäre: Kleider mit Pelzbesatz, Kleider aus Spitze, Kleider aus Samt und mit Perlen bestickt; Hüte mit Straußenfedern; Hermelincapes, gerüschte Unterkleider sowie Kästen, die überquollen von Handschuhen aus zartestem Leder, gestickten Taschentüchern und Seidenstrümpfen.
    »Valenciennespitze«, flüsterte Nicole ehrfürchtig, während sie eines der Unterkleider in die Hand nahm.
    Langsam ließ ich den Kegel meiner Taschenlampe über die herrlichen Stoffe gleiten, voller Bewunderung über die Liebe, mit der Josiah seine einzige Tochter überschüttet hatte, das Kind seiner alten Tage. Es war fast unglaublich, dass ein Mann, der einerseits sein Kind mit einem derartigen Luxus umgeben hatte, es später fertigbrachte, dieses Kind in einer kahlen Zelle gefangen zu halten.
    Ich fühlte etwas Kühles an meinem Hals. Erschauernd drehte ich mich um und leuchtete den Raum mit der Taschenlampe aus. Der Lichtschein blieb fast wie von selbst auf einem großen, verhüllten Gemälde liegen, das auf der anderen Seite der Kammer halb hinter einem Schrank verborgen an der Wand lehnte. Während Nicole noch die feine Näharbeit des Unterkleides bewunderte, wurde ich wie von einer unsichtbaren Hand zur anderen Seite gezogen.
    Ich nahm das Bild hinter dem Schrank hervor und lehnte es gegen das Puppenhaus. Dann zog ich mit einem Ruck das Tuch von dem Goldrahmen und erblickte ein Gesicht, das ich schon einmal gesehen hatte.
    Sie war ganz in Weiß gekleidet, ihre zierliche Gestalt verschwand fast unter der Fülle eines von Spitzen und Rüschen geschmückten Morgenrocks. Sie hatte dunkle, leuchtende Augen, und das schwarze Haar, zu einem kunstvollen Knoten aufgetürmt, war so dick und üppig, dass es für den zarten Hals fast zu schwer wirkte. Brav und ernst saß sie da, die linke Hand über der Rechten, einen Fransenschal um die schmalen Schultern gelegt.
    »Nicole«, flüsterte ich. Die Ähnlichkeit war frappierend.
    »Ja?« Nicole drehte sich um, hielt erschrocken den Atem an und drückte das Unterkleid an die Brust. »Das ist … das ist das Gesicht, das ich gesehen habe! Das Gesicht am Fenster!«
    »Du musst dein eigenes Spiegelbild gesehen haben.« Von der jungen Frau auf dem Bild sah ich zu der jungen Frau, die vor mir stand. »Ihr seht euch so ähnlich, dass ihr Schwestern sein könntet.«
    Zögernd kam Nicole näher. »Ist das … Claire?« Ich kauerte mich hin, um die Gravur auf dem Schild unten am Goldrahmen zu lesen. »Claire Eleonora Byrd. Ja, Nicole, das ist deine Großtante. Das ist die Frau, die Edward geliebt hat.«
    »Josiah muss sie auch geliebt haben.« Nicole blickte wieder auf das Unterkleid in ihrer Hand.
    »Er muss diese Kammer eingerichtet haben, nachdem sie gestorben war. Diese Sachen waren ihm kostbar, weil ihre Hände sie berührt hatten.«
    Er liebte sie zu sehr, dachte ich und sah in Nicoles dunkle Augen. Darum hat er sie eingesperrt. Er konnte es nicht ertragen, seine Prinzessin an einen anderen Menschen zu verlieren, und schon gar nicht an einen Mann ohne Titel und Vermögen.
    »Das wird Adam sehen wollen.« Stumm nickte ich, dann nahm ich das Porträt vom Boden und trug es aus der dunklen Kammer.

    »Er wird wohl fest schlafen«, sagte Nicole.
    »Vielleicht sollten wir ihn nicht stören.«
    Wir standen vor dem blauen Zimmer, das Bild zwischen uns, und warteten darauf, dass Adam auf unser nachdrückliches Klopfen reagierte. Ich ignorierte Nicoles höflichen Vorschlag, uns zurückzuziehen, und klopfte nochmals, ehe ich den

Weitere Kostenlose Bücher