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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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erklärte sich bereit, nachzuprüfen, ob er das Unvorstellbare getan hatte und in einem anderen Hotel abgestiegen war, und ich konnte mich darauf verlassen, dass ihre Suche gründlich sein würde – ihr standen mehr Augen und Ohren zur Verfügung als Scotland Yard. Einer plötzlichen Eingebung folgend, wählte ich die Nummer von Lucy Willis, falls Willis senior sich entschlossen haben sollte, sie aufzusuchen, ehe er ins Flamborough fuhr. Nachdem es zwölf Mal geläutet hatte, legte ich den Hörer auf. Ich war entmutigt und ein wenig deprimiert. Zum ersten Mal seit zwei Jahren hatte ich keine Ahnung, wo mein Schwiegervater die Nacht verbringen würde. Es war ein Vorgeschmack darauf, wie das Leben ohne seine tröstende Anwesenheit sein würde, und es gefiel mir überhaupt nicht.
    Emma hatte auch nichts von Willis senior gehört, aber Bill hatte angerufen, nach mir gefragt und seine Telefonnummer hinterlassen. Emma hatte pflichtschuldigst Nells Geschichte zum Besten gegeben, dass wir nach Haslemere gefahren waren, um uns die Glocken anzusehen, aber sie hatte ihm unsere Telefonnummer im Georgian nicht gegeben.
    »Ich habe gesagt, ihr seid noch unterwegs«, erklärte Emma. »Ich dachte, du möchtest vielleicht nicht mit ihm sprechen, bis du Vetter Gerald besucht hast. Übrigens«, fügte sie ziemlich verwundert hinzu, »hast du ein Fotokopiergerät bestellt?«
    Fast hätte ich den Hörer fallen lassen.
    »Es wurde hierher gebracht, weil bei euch niemand da war«, sagte Emma. »Es ist an dich adressiert, aber ich wusste nicht genau, was ich damit machen soll.«

    »Nicht in mein Haus!« Ich ließ mich in den pfirsichfarbenen Sessel fallen, nahm Reginald als Verstärkung auf den Schoß und erzählte Emma ausführlich von Tante Dimitys neuestem Kryptogramm, von meinem Gespräch mit Gerald und von meiner Theorie darüber, was Willis senior im Schilde führte. »Das Fotokopiergerät ist nur die Spitze des Eisberges«, schloss ich düster. »Wenn es nach William geht, wird mein Cottage bald unter Kabeln statt unter Rosen verschwinden.«
    »Das klingt, als ob er vorhat, in deinem Haus eine Filiale von Willis & Willis einzurichten«, bemerkte Emma.
    »So ist es«, sagte ich, »aber ich werde es ihm nicht erlauben. Vielleicht ist es egoistisch von mir, aber ich brauche ihn in Boston. Er ist das einzige Familienmitglied, dem meine Anwesenheit keinen latenten Brechreiz verursacht.«
    »Du hast doch noch Bill«, bemerkte Emma.
    »Habe ich das?«, murmelte ich. Ich merkte, dass ich Reginald im Würgegriff hielt, und versuchte, mich zu entspannen. »Jedenfalls, würdest du bitte das Fotokopiergerät vorläufig in eine deiner Scheunen stellen? Ich erlöse dich davon, sobald ich zurück bin.«
    »Kein Problem«, sagte Emma. »Kann ich sonst noch etwas für dich tun?«

    »Ja«, sagte ich, indem ich gedankenverloren mit Reginalds Ohren spielte. »Du kannst dein gut geschultes Hirn mal in Gang setzen und dich ins Internet begeben. Sieh mal nach, ob du irgendetwas über diesen Familienstreit aus dem Jahre 1714 finden kannst, von dem Miss Kingsley uns erzählt hat. Es muss doch genealogische oder historische Verzeichnisse geben, die du anzapfen kannst.«
    Regs Augen flackerten, und ich fügte eilig hinzu:
    »Natürlich nur, wenn du Zeit hast.«
    »Einer meiner Grundsätze ist, niemals nach Einbruch der Dunkelheit im Garten zu arbeiten«, sagte Emma trocken. »Ich fange gleich heute Abend an. Wie kommst du denn mit Nell klar?«
    Ich sah hinüber zu Nell, die gerade die Speisekarte für den Zimmerservice studierte. »Ich hätte nichts gegen eine Tochter wie sie«, sagte ich leise,  »aber ich glaube, sie ist ziemlich einmalig. Nell«, rief ich. »Hier ist Emma. Willst du mit ihr reden?«
    Ich gab Nell den Hörer, zog mein Tweedkostüm aus und ließ Badewasser einlaufen. Von der Aufregung des Vormittags und der Anstrengung der langen Autofahrt – ganz zu schweigen von den vielfältigen Schrecken des Nachmittags – fühlte ich mich seltsam ruhelos und niedergeschlagen. Ich hoffte, ein heißes Bad würde mich entspannen, aber danach war ich noch rastloser als vorher. Während ich meine Jeans und den Baumwollpulli anzog, überlegte ich, ob ich Bill anrufen sollte, aber dann fiel mir ein, dass ich ja noch immer nicht in der St.  Bartholomäus Kirche gewesen war. Ich würde jetzt gehen, entschied ich, nicht nur, um sie meinem Mann beschreiben zu können, sondern auch, weil ich mir von dem Spaziergang mehr Appetit aufs Abendessen

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