Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief
die Zeit dazu findet. Bill will von seiner Kanzlei aus weitere Anrufe erledigen. Und schließlich hat sich auch Gabriel zur Verfügung gestellt.«
Warum ist Gabriel eigentlich so erpicht darauf dir zu helfen? Er weiß , dass du verheiratet bist , oder?
»Ja, aber es ist nicht so, wie du denkst, Dimity.
Gabriel hat seine schmutzige Scheidung noch nicht überwunden. Seine Frau ist vor ungefähr einem Jahr mit einem Wirtschaftswissenschaftler durchgebrannt, und darum hat er im Moment mit Romanzen nichts am Hut. Er liebt seine Katze, aber was Frauen betrifft, hat er sich hinter einer Mauer verschanzt. Sogar vor harmlosen Flirts hat er Angst.«
Meine liebe Lori , wenn du es geschafft hast , Gabriel so viele persönliche Details über sein Liebesleben zu entlocken , habe ich keinen Zweifel daran , dass du Kenneth noch diese Woche aufspü ren wirst . Du hast eindeutig das unausgesprochene Motto von Finch beherzigt : Neugier ist ihre eigene Belohnung .
»Ich kann gar nicht anders, als mich für Gabriel zu interessieren«, meinte ich mit einem verlegenen Grinsen. »Miss Beacham nahm ja auch Anteil an seinem Leben. Mr Mehta hat uns erzählt, dass sie bestimmt die richtige Frau für ihn gefunden hätte, wenn ihr die Zeit dazu vergönnt gewesen wäre. Es ist wirklich schlimm, dass ein derart netter Kerl so einsam sein muss!«
Wir schaffen uns unsere Einsamkeit selbst , Lori .
Ich musste wieder an Gabriels Abschiedsworte auf dem Parkplatz hinter Miss Beachams Haus denken und an die Trauer in seiner Stimme. »Ich glaube nicht, dass Gabriel sich die seine geschaffen hat. Es hat sich nur so ergeben, teilweise, weil er mit seiner Ehe Schiffbruch erlitten hat, und teilweise, weil … na ja, weil es in seiner Welt normal ist, dass man auf einer winzigen Insel lebt, losgelöst von den anderen. Allerdings scheint er darüber nicht glücklich zu sein. Egal, was er sagt, ich glaube, er fühlt sich hundeelend.«
Anscheinend hat Miss Beacham noch ein unvollendetes Projekt zurückgelassen , meine Liebe , eines , das in jeder Hinsicht so wichtig ist wie die Suche nach Kenneth .
Diesen Satz musste ich zweimal lesen, bis mir Dimitys versteckte Andeutungen klar wurden.
»Vergiss es, Dimity. Ich bin keine Kupplerin.«
Du kannst aber lernen , eine zu werden . Außer natürlich , du willst , dass es Gabriel weiter schlecht geht , was ich allerdings bezweifle . Es ist auch gar nicht schwer , eine solche Rolle zu spielen , Lori . In den nächsten Tagen wirst du ja einige Zeit mit Gabriel verbringen , und man weiß nie , wem man da alles über den Weg läuft . Du brauchst einfach nur Augen und Ohren offen zu halten und rechtzeitig einen Stups in die richtige Richtung zu geben .
»Ich kann doch unmöglich …«, doch Dimitys Schrift verblasste bereits. Ich klappte das Notizbuch zu und stellte es ins Regal zurück, blieb aber kopfschüttelnd und mit verschränkten Armen davor stehen.
»Nie und nimmer«, sagte ich an Reginald gewandt, da Hamish nicht zuzuhören schien. »Ich weigere mich, zu einer von diesen Frauen zu werden, die ständig die Nase in die Angelegenheiten anderer Leute stecken. Ich bin doch nicht Mrs Mehta.«
Zur Bekräftigung meines Entschlusses stampfte ich mit dem Fuß auf und hielt gut drei Sekunden lang Wort, bis sich ein kleiner, lange unterbeschäftigter Teil meines Gehirns zurückmeldete und mich an die kurze Liste der noch ledigen jüngeren Frauen in Finch erinnerte. Mrs Mehta wäre stolz auf mich gewesen.
Um Punkt zehn klingelte ich bei Gabriel. Wie jede echte Fincherin platzte ich fast vor Neugier darauf, wie es in seiner Wohnung aussah, doch er machte mir einen Strich durch die Rechnung und kam gleich fertig angezogen herunter. Ich konnte noch nicht einmal Stanley begrüßen.
»Bereit?«, fragte er.
Ich nickte, und wir marschierten die St. Cuthbert Lane hinunter. Sehr zu meinem Entsetzen und ohne meine Zustimmung oder Mithilfe begann die Mrs Mehta in mir auf der Stelle, Gabriel mit jeder unverheirateten Frau, die ich kannte, zusammenzubringen. Um sie zum Schweigen zu bringen, knüpfte ich ein Gespräch an. »Lassen Sie Stanley in der Nacht noch raus?«
»Er weigert sich momentan, die Wohnung zu verlassen. Jetzt, da er einen reichen Vorrat an Miss Beachams Feinschmeckerfutter hat, zieht es ihn nicht mehr nach draußen. Wenn ich an die Unmengen von Trockenfutter denke, die er in all den Jahren bei mir runterwürgen musste, komme ich mir wie ein Rabenvater vor.«
»Das würde Stanley mit Entzücken hören«,
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