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Tante Dimity und die unheilvolle Insel

Tante Dimity und die unheilvolle Insel

Titel: Tante Dimity und die unheilvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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seiner Brüder fand. Wie lange mochte es gedauert haben, ihnen allen ein Grab zu schaufeln? Wie lange mochte er dagestanden und aufs Meer hinausgestarrt haben, ehe er sich dazu entschied, zu dem Felsen zurückzukehren, das Boot davontreiben zu lassen und sich selbst zum Tode zu verurteilen? Natürlich hatte ihn das in den Wahnsinn getrieben.
    Micks Stimme riss mich aus meinen Gedanken. »Es heißt, dass Bruder Cieran Chapel nie wieder verlassen hat«, murmelte er heiser. »Es heißt auch, dass sein Geist hier bis zum heutigen Tag herumspukt und die Qualen der Verdammten erleidet. Bei uns gibt es einige, die für nichts auf der Welt hier rausfahren würden.«
    Mick sprach mit solcher Überzeugung, dass ich mich fragte, ob Tante Dimity sich geirrt hatte, als sie mir berichtet hatte, dass Bruder Cieran den Felsen vor langer Zeit verlassen hatte. »Haben Sie je seinen Geist gesehen?«, wollte ich wissen.
    »Das geht Sie nichts an!«, beschied mich Mick barsch und erweckte damit den Eindruck, dass er ihn tatsächlich gesehen hatte und es keine angenehme Erfahrung gewesen war. Er blickte kurz zum Himmel und machte auf dem Absatz kehrt.
    »Höchste Zeit aufzubrechen. Ich werde Sie zum Hafen bringen müssen, Mr Hunter. Die See ist zu wild, um Sie in der Bucht abzusetzen.«
    »Das geht in Ordnung, Mick«, sagte Damian.
    »Wir können ja vom Dorf zur Burg rauf gehen.«
    Während die zwei Männer redeten, sah ich eine Front aus hohen weißen Wolken über den blauen Himmel näher rücken. Dahinter folgten vom nördlichen Horizont viel dunklere Wolken, die sich ungleich schneller auf uns zubewegten.
    Auch Damian bemerkte den aufziehenden Sturm.
    Aufgeschreckt hasteten wir zum Schlauchboot zurück und kletterten, angetrieben von Mick, an unsere Plätze. Schon hatte Mick den Motor angeworfen und hielt mit Vollgas auf den winzigen Hafen von Stoneywell zu.
    Beinahe hätten wir es auch geschafft. Wir waren höchstens noch dreißig Meter von der L-förmigen Mole entfernt, als der Himmel seine Schleusen öffnete. Mick musste das Boot durch wahre Vorhänge aus herabprasselnden dicken Tropfen lenken, bis es auf die Gleitbahn auffuhr und Damian und ich ihm dabei helfen konnten, es bis über die Hochwassermarkierung hinaus an Land zu ziehen.
    »Darf ich Ihnen einen Drink spendieren, Mick?« Damian musste die Stimme heben, um das Klatschen des Regens zu übertönen.
    »Nein, danke. Ich geh besser gleich heim.
    Meine Frau wird sich schon Sorgen machen. Es ist ihr nicht recht, wenn ich zur Chapel rausfahre.« Mick bedachte mich mit einem missmutigen Blick, dann wandte er sich abrupt ab und stapfte die Kopfsteinpflasterstraße hinauf.

    »Noch mal vielen Dank, Mr Ferguson!«, rief ich ihm nach, doch er drehte sich nicht um.
    Seufzend wischte ich mir die tropfnassen Locken von der Stirn. Das einzig Gute am Regen war, dass er wenigstens einen Teil des Salzes aus meiner Hose spülte. Die Aussicht darauf, den langen matschigen Weg zur Burg hinaufzupatschen, versetzte mich nicht unbedingt in Hochstimmung.
    Damian fiel es nicht schwer, meine Miene zu deuten. »Ich fordere einen Wagen an«, versprach er. »Wir können solange im Pub warten.«
    Er ergriff mich am Ellbogen und führte mich über das rutschige Kopfsteinpflaster vorbei an ein paar vom Regen halb verborgenen Häusern zu einem schummrig beleuchteten und herrlich warmen Pub. Das Etablissement bestand aus einem geräumigen Schankraum mit niedriger Decke, weiß getünchten Wänden und weißem Holzboden. Der Tresen befand sich links von uns, der offene Kamin zu unserer Rechten, und dazwischen standen mehrere Tische und Stühle.
    Wir hängten unsere dampfenden Jacken an Kleiderhaken gleich neben der Tür und besetzten den Tisch, der am nächsten beim Feuer stand.
    Zwei Männer saßen am Tresen, jeder einen Whisky vor sich, und zwei weitere Gäste teilten sich einen Tisch bei der hinteren Wand. Als wir eintraten, verstummten alle und beobachteten, wie wir auf unseren Tisch zusteuerten. Erst als wir uns gesetzt hatten, kehrten sie zu ihren Drinks zurück und setzten ihr Gespräch leise murmelnd fort. Einen Moment später kam eine Bedienung mittleren Alters, eine richtige Patrona, geschäftig zu uns herübergerauscht und wischte sich im Gehen die kräftigen Hände an der wei ßen Schürze ab.
    »Mrs Muggoch«, sagte Damian, »darf ich Ihnen Ms Lori Shepherd vorstellen?«
    Ich lächelte sie an. »Nennen Sie mich Lori.«
    Sie erwiderte mein Lächeln. »Sie sind bei Sir Percy zu Besuch, nicht wahr?

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