Tante Inge haut ab
sitzt da drin, im Restaurant, vermutlich mit ihrem neuen Liebhaber«, erklärte Luise an ihrer Stelle.
War es Christines Einbildung, oder stöhnte Johann auf? Jedenfalls nahm er seinen Arm von ihrer Stuhllehne und winkte entschlossen der Bedienung zu.
»Ich frage jetzt extra nicht, ob du deiner Tante nachspionierst. Ich will es auch gar nicht wissen. Nur so als Information: Jeder andere wäre hingegangen und hätte gesagt: >Hallo, Tante Inge, was machst du denn hier? Dürfen wir uns dazusetzen?< Hallo, ich möchte gern ein Bier, ein großes.«
Letzteres galt der schönen Anika, die seine Bestellung entgegennahm und dann wieder verschwand.
Christine schluckte und nahm sich vor, gleich ins Lokal zu gehen, so zu tun, als wäre sie gerade gekommen und Inge zu begrüßen. Alex' Ankunft verhinderte das Vorhaben. Er kam die Treppe hochgerannt, winkte kurz in die Runde, sagte: »Komme gleich zurück«, und verschwand im Lokal.
Als er wieder auf die Terrasse trat, sah Luise ihm erwartungsvoll entgegen. Alex zog einen Stuhl näher an den Tisch, küsste Christine zur Begrüßung auf beide Wangen, schüttelte Johann die Hand und ließ sich auf seinen Platz fallen. Dann sah ersieh um.
»Kommt hier jemand an den Tisch, oder muss man drinnen bestellen?«
»Es kommt jemand.« Luise legte ihre Hand auf seine. »Ist dir das Paar aufgefallen, das direkt neben der Theke sitzt?« »Welches Paar?« Abrupt drehte sich Alex wieder um, was Christine zu einem heftigen Griff nach seinem Oberarm zwang.
»Nicht umdrehen!«, zischte sie ihn an.
Verständnislos rieb er sich den Arm. »Aua! Was ist denn los?« Sein Blick fiel auf Johann, der sein Gesicht in die Hände vergraben hatte. »Habe ich was verpasst? Sind die beiden hier auf Promijagd, oder was soll das?«
Christine überlegte, ob Alex schon immer so schwer von Begriff gewesen war. Er war doch direkt an Inge und ihrem ominösen Begleiter vorbeigekommen, er hätte sie doch sehen müssen.
»Dieses ältere Liebespaar, Schatz. Die Frau im roten Anzug und der graumelierte Mann. Du bist fast an ihren Tisch gestoßen.« Luises Stimme war geduldig und energisch zugleich.
»Ich habe kein Liebespaar gesehen.«
Christine beugte sich vor. »Sind die beiden kein Liebespaar, oder hast du gar nicht hingeguckt?«
Alex zog vorsichtshalber seinen Arm weg. »Ich weiß nicht, ich musste so dringend ...«
»Christine.« Johanns Stimme klang jetzt sehr weich und gütig. Er sprach wie mit einer kurz vor dem Ausbruch stehenden Psychopathin. » Das kannst du deine Tante gleich selbst fragen, sie haben nämlich schon bezahlt. Nur, damit du die Fassung behältst.«
In diesem Moment trat Inge auch schon aus der Tür, die der Unbekannte ihr aufgehalten hatte. Bevor sie nebeneinander die Treppe hinunterstiegen, drehte Tante Inge sich kurz um, winkte gut gelaunt und rief: »Hallo, Christine. Viel Spaß noch.«
Christines Gesicht fühlte sich plötzlich ganz heiß an, und sie hörte Johann sagen: »Sie hat dich die ganze Zeit gesehen.«
Irgendwie klang er schadenfroh. •
Der Abend mit Luise und Alex war lustig und lang gewesen, deshalb bekam Christine erst um elf Uhr die Augen auf. Johann hatte schon geduscht, saß am Bettrand und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
»Ich dachte schon, ich müsste dich reanimieren.«
Er sah richtig gut aus. Schön und wach. Sie kam da mit Sicherheit nicht mit. Trotzdem wurde sie geküsst.
»Guten Morgen.« Langsam setzte sie sich auf und lehnte sich an ihn. »Warst du schon unten?«
Er zauberte eine Tasse hervor. »Ja. Ich habe dir Kaffee geholt. Hier, ist heiß.«
»Sind meine Eltern da?« Christine nahm einen Schluck und verbrannte sich prompt die Zunge. »Aua!«
»Ich habe doch gesagt, er ist heiß. Dein Vater ist nach Kampen gefahren, und deine Mutter vergiftet im Garten Ameisen.«
»Dann ist sie sauer. Sie tötet nur, wenn sie sich geärgert hat.«
Johann nahm ihr die Tasse aus der Hand und probierte. »So heiß ist er auch nicht. Heinz ist zu dieser Petra nach Kampen gefahren. Er will hören, was deine Tante da so macht.«
»Hm. Dann geht Mama auch gleich noch mit Schneckenkorn ins Beet. Wir sollten die Räder nehmen und den ganzen Tag lang über die Insel fahren. Wir setzen uns Sonnenbrillen und Mützen auf und beschleunigen, wenn wir jemanden treffen, der mit mir verwandt ist.«
»Hervorragende Idee.« Johann lächelte zufrieden. »Dann los, geh duschen. Ich frage deine Mutter, wo die Räder stehen.«
»Im Schuppen. Aber frag sie ruhig.«
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