Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tante Inge haut ab

Tante Inge haut ab

Titel: Tante Inge haut ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
Vom Netzwerk:
alle Hände ...«
    »Das doch nicht. Die andere Seite.«
    »Ach so. Ich dachte, das wird unsere nächste Romantikreise. Warst du schon mal in einem Heuhotel?«
    »Christine!«
    Sie drehte die Seite um. Ihr Blick fiel sofort auf eine rot umkreiste Stellenanzeige: Verlag für maritime und regionale Literatur sucht Vertriebsassistentin.
    »In Bremen?«
    »Ja«, Johann lächelte sie entspannt an, »in Bremen. Direkt an der Weser, mit dem Fahrrad zehn Minuten von meiner Wohnung entfernt. Du kannst am i. August anfangen, da hast du noch über zwei Monate Zeit, alles zu organisieren. Und deine Kündigungsfrist kannst du auch einhalten, du hast doch sicher drei Monate. Mit deinem Resturlaub und all den Überstunden bekommst du das doch hin.«
    Christine musste sich beherrschen, um nicht genau das zu sagen, was sie gerade dachte. Oder das zu tun, was sie am liebsten täte. Stattdessen fragte sie sehr ruhig: »Hast du dich auch schon in meinem Namen da vorgestellt und alle Formalitäten erledigt? Oder woher weißt du so genau, dass sie mich in jedem Fall einstellen?«
    »Was meinst du?« Johann wirkte verblüfft.
    »Du weißt doch gar nicht, ob ich den Job kriege. Vielleicht bewerben sich da hunderttausend Leute. Vielleicht wollen die mich gar nicht. Oder ich will dort gar nicht anfangen. Maritime Literatur! Ich kann noch nicht mal segeln.«
    »Ach was«, Johann winkte ungeduldig ab, »du musst einfach eine tolle Bewerbung schreiben, und wenn du erst zum Vorstellungsgespräch eingeladen wirst, wickelst du sie sowieso um den Finger. Im Übrigen bin ich der festen Überzeugung, dass man alles hinbekommt, wenn man es nur will.«
    Ihre erste Reaktion wäre die richtige gewesen. Zuschlagen. Warum neigte sie mit zunehmendem Alter eigentlich immer öfter zur Gewalttätigkeit? Aber das war im Moment ihr kleinstes Problem.
    »Da irrst du dich gewaltig. Im Buchhandel gibt es nicht mehr so einfach Jobs. Es wird garantiert eine Menge anderer Bewerbergeben, und ich bin keine dreißig mehr, und ...«
    »Ach, Christine«, Johann unterbrach sie unwirsch, »langsam geht es mir auf die Nerven, dass du dauend mit deinem Alter anfängst. Das ist doch nur vorgeschoben. Du bist keine dreißig mehr, das stimmt, aber du bist auch noch keine sechzig. Also, was soll das? Und außerdem, das wollte ich dir erst nicht sagen, aber nun ist es auch egal, der Verlagsleiter ist ein alter Freund von mir. Wir haben zusammen BWL studiert, ein ganz netter Typ. Ich habe ihn schon angerufen, du könntest nach dem Urlaub sofort einen Termin haben und ... Wieso guckst du denn jetzt so sauer?«
    Christine musste aufpassen, dass sie nicht in eine Schnappatmung verfiel, ihr Puls hatte sich mindestens verdoppelt, und die Stelle des Handballens, in die sie ihre Fingernägel gedrückt hatte, fing an, weh zu tun.
    »Sag mal ...« Sie brach ab, atmete ein paar Mal tief ein und aus und zwang sich, mit normaler Stimme zu sprechen, »spinnst du?«
    »Was?«
    »Du kannst doch nicht so einfach mein Leben umorganisieren. Du suchst mir einen neuen Job, natürlich in Bremen, du telefonierst für mich in der Gegend rum, wahrscheinlich hast du auch schon eine Schrankseite für meine Klamotten leer geräumt und meine Wohnung gekündigt. Oder? Habe ich noch etwas vergessen?«
    Sie funkelte ihn wütend an. Er funkelte zurück.
    »Ja. Du hast etwas vergessen. Nämlich, dass du mal behauptet hast, mit mir zusammenleben zu wollen. Das hast du anscheinend total vergessen. Weil du dann ja zu viel verändern müsstest. Und das ist natürlich eine Zumutung. Nein, mach das bloß nicht. Geh lieber weiterhin mit Magenschmerzen zur Arbeit und wohn die nächsten zwei Jahre auf einer Baustelle. Das kennst du ja alles. Und trau dich bloß nicht, irgendetwas Neues anzufangen, dafür bist du schon viel zu alt. Nicht auszudenken, wenn das Leben plötzlich schön wäre. Das wäre ja furchtbar. Das überlasse lieber den anderen. So wie deiner Tante Inge. Die traut sich nämlich.«
    Christine war wie gelähmt. Sie hatten noch nie gestritten. Zumindest nicht so heftig. Und es fühlte sich nicht gut an, ganz und gar nicht. »Johann, ich...«
    Er gab der Bedienung ein Zeichen. »Ich möchte bitte zahlen.« Dann wandte er sich wieder zu Christine. »Ich finde es auch bescheuert, dass wir uns im Urlaub in die Haare kriegen, aber das musste mal gesagt werden. Du beschwerst dich seit Monaten über deinen Chef und deinen Job, bist kaputt und schlecht gelaunt und hast ständig Magen- oder Kopfschmerzen. Ich wollte

Weitere Kostenlose Bücher