Tante Inge haut ab
Papa ist erst nach dem Überfall gestürzt.«
»Könnte ich auch einen Schnaps haben?« Johann schob Charlotte sein Glas entgegen.
»Nur eine Platzwunde. Ich hätte mir das Genick brechen können! Dann wäre ich tot gewesen.« Heinz trank sein Glas mit einem Schluck aus und schüttelte sich angewidert. »Das ist aber auch ein Zeug, dieser Bullenschluck.«
»Könntet ihr vielleicht mal genau erzählen, was passiert ist?« Langsam wurde Christine ungeduldig. Dankbar registrierte sie Johanns warme Hand an ihrem Rücken und lehnte sich dagegen.
»Ich bin umgefallen.« Heinz warf Charlotte einen wehleidigen Blick zu. »Einfach so. Aber es war zum Glück ein Arzt dabei. Dieser Dr. Keller aus Wenningstedt. Der hat mir dann was gegen den Kreislauf gegeben.«
»Für den Kreislauf«, korrigierte Christine automatisch, »und wieso bist du umgefallen? Und was ist mit Inge?«
»Ich bin wegen Inge umgefallen. Schock.«
»Papa!« Christine spürte Johanns Hand, die ihr beruhigend über den Rücken strich. »Kannst du nicht mal ...«
»Ein Einbrecher ist in Inges Apartment eingestiegen, durch das Wohnzimmerfenster.« Charlotte hatte jetzt auch keine Geduld mehr, auf die Erklärungen ihres Mannes zu warten. »Inge hat etwas gehört und ist rübergegangen. Zum Glück hatte sie vorher Papa angerufen, aber bevor sie ihm was sagen konnte, ist sie - wahrscheinlich, weil es dunkel im Zimmer war - mit voller Wucht gegen die Tür gerannt. Und umgekippt. Gehirnerschütterung.«
Johanns Hand hörte auf, Christines Rücken zu streicheln. »Ist sie im Krankenhaus?«
»Ich habe diesen entsetzlichen Knall gehört und sofort gewusst, dass da irgendetwas nicht in Ordnung ist, man kennt das ja aus dem Fernsehen, man wird Zeuge durchs Telefon ...«
Charlotte sah Heinz warnend an. Dann sagte sie zu Johann: »Ja. Sie wollen sie ein oder zwei Tage dabehalten. Ist auch besser, sie hat sich ziemlich erschrocken.«
»Und ich erst. Umgefallen bin ich. Eine Platzwunde am Hinterkopf. Musste aber zum Glück nicht genäht werden.« Heinz tastete vorsichtig sein Pflaster ab. »Ich glaube nicht, dass das ein normaler Einbrecher war. Da steckt mehr dahinter, glaubt mir. Außerdem ist Inge gestoßen worden. Das war ein Anschlag.« »Du siehst zu viel Fernsehen.« Charlotte stand auf und holte sich ein Wasserglas aus dem Schrank. »Inge kann sich gar nicht genau erinnern, sie steht unter Schock. Und der Mann ist doch sofort geflüchtet, er hat nicht mal was geklaut. Dabei lag ihre Handtasche auf dem Sofa. Die hätte er leicht mitnehmen können.«
»Eben«, Heinz fuchtelte mit dem Zeigefinger vor seiner Frau herum, »der wollte nichts stehlen, da steckt was ganz anderes dahinter. Wenn das man nichts mit Inges komischen Einfällen zu tun hat. Vielleicht ist sie in gefährliche Kreise geraten. Was wissen wir denn schon? Sie benimmt sich seltsam genug. Wie schnell kann das gehen, du lernst jemanden kennen, und plötzlich hast du mit der russischen Mafia oder Drogen zu tun oder ...«
»Papa, jetzt ist gut. Das hört sich eher an wie ein gewöhnlicher Einbruch. Der Typ hat bestimmt gedacht, reiche Urlauber in Kampen, alles dunkel, da steige ich mal ein.«
»Und die Tasche? Wieso hat er die nicht geklaut?«
»Weil Inge ihn gestört hat. Er ist in Panik geraten und geflohen.«
Heinz schüttelte ungläubig den Kopf. »Glaubst du das, Johann?«
Johann nickte. »Aber das wird doch auch die Polizei...«
»Ich glaube es nicht. Nie im Leben war das ein Zufall. Mein Instinkt sagt mir, Inge ist in Schwierigkeiten. Kennt eigentlich irgendjemand diese Renate?«
»Ja.« Johann und Christine antworteten im Chor. Heinz guckte alarmiert hoch.
»Ja? Und? Woher?«
»Aus der Strandsauna.« Johann hatte diesen wunderbar gelassenen Ton, Christine legte ihre Hand auf sein Knie. »Wir haben heute Nachmittag Inge und Renate da getroffen.«
»Und?« Heinz' Stimme vibrierte vor Spannung. »Erzähl schon, wie ist sie?« Gleichmütig sagte Johann: »Sie wirkt nicht kriminell. Eher etwas ... extrovertiert.«
»Na bitte.«
Christine musterte ihren Vater. Er nickte triumphierend und presste seine Lippen entschlossen zusammen.
»Jedenfalls hat sie einen schlechten Einfluss auf Inge. Das habe ich schon geahnt.«
Charlotte erhob sich und stellte ihr Glas in die Spüle. »Ich gehe ins Bett. Und, Heinz, bevor du hier deine nächste Detektivaktion planst, erinnere ich dich an Norderney. Du hast dich da genug blamiert. Fang nicht wieder damit an. Geh lieber Zähne putzen.«
Sie
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