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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Gesichtsausdruck am anderen Ende der Leitung. Ich sagte ihr noch einmal, daß ich sie sehr liebe.
    »Ich rufe dich wie verabredet um 4 Uhr an«, sagte sie schließlich. »Ich bin bei dem Chinesen an der Ecke. Hinter mir wartet eine ganze Schlange. Tschüßchen!«
    Ich ging zu Genaro jun. hinunter, der aber nicht da war. Ich hinterließ, daß ich ihn dringend sprechen müsse, und um irgend etwas zu tun, um auf irgendeine Weise diese Leere in mir zu füllen, ging ich in die Universität. Ich kam in eine Vorlesung über Strafrecht. Der Professor, der sie hielt, war mir immer wie eine Märchenfigur vorgekommen. Eine perfekte Kombination von Satyriasis und Koprolalie, sah er die Mädchen an, als wollte er sie ausziehen, und alles diente ihm als Anlaß, zweideutige Sätze und Obszönitäten zu sagen. Einem Mädchen, das ihm richtig auf eine Frage geantwortet hatte und einen flachen Busen hatte, gratulierte er, das Wort genießend: »Sie sind sehr synthetisch, mein Fräulein«, und als er einen Artikel kommentierte, ließ er eine langatmige Erklärung über Geschlechtskrankheiten los.
    Im Sender erwartete mich Genaro jun. in seinem Büro. »Ich nehme an, du willst mich nicht um Gehaltserhöhung bitten«, warnte er mich schon an der Tür. »Wir sind beinahe bankrott.“
    »Ich will mit dir über Pedro Camacho sprechen«, beruhigte ich ihn.
    »Weißt du, daß er anfängt, allen nur möglichen Unfug zu treiben?« sagte er, als freue er sich über einen Streich. »Er vertauscht Personen aus einem Hörspiel mit denen eines anderen, ändert ihre Namen, verdreht die Handlung und macht beinahe aus allen Geschichten eine einzige. Ist das nicht genial?« »Nun ja, ich habe so etwas gehört«, sagte ich verwirrt über seine Begeisterung. »Gerade gestern abend habe ich mit den Schauspielern gesprochen. Sie sind beunruhigt. Er arbeitet zuviel, sie fürchten, er könnte zusammenbrechen. Ihr würdet die Henne verlieren, die euch goldene Eier legt. Warum gibst du ihm nicht Urlaub, damit er sich wieder ein bißchen einstimmt.“
    »Urlaub für Camacho«, entsetzte sich der fortschrittliche Unternehmer. »Hat er dich darum gebeten?« Ich sagte nein, es sei ein Vorschlag seiner Mitarbeiter. »Sie sind es leid, daß er sie so tüchtig arbeiten läßt, und wollen ihn für ein paar Tage los sein«, erklärte er mir. »Es wäre dämlich, ihm jetzt Ferien zu geben.« Er nahm ein paar Papiere und schwenkte sie triumphierend: »Wir haben diesen Monat wieder den Rekord an Einschaltquoten. Das heißt also, die Idee, die Geschichten durcheinanderzubringen, funktio niert. Mein Vater war über diese Existentialismen beunru higt, aber sie haben Erfolg, da sind die Umfrage ergebnisse.« Wieder lachte er. »Siehst du, solange es dem Publikum gefällt, muß man seine Extravaganzen ertragen.«
    Ich drängte nicht weiter, um nicht ins Fettnäpfchen zu treten. Und schließlich, warum sollte Genaro jun. nicht recht haben? Wieso konnten diese Unstimmigkeiten von dem bolivianischen Schreiber nicht perfekt geplant sein? Ich hatte keine Lust, nach Hause zu gehen, und beschloß, einmal verschwenderisch zu sein. Ich überredete den Mann an der Kasse des Senders, mir einen Vorschuß zu geben, und ging, als El Panamericano vorbei war, in das Loch von Pedro Camacho, um ihn zum Mittagessen einzuladen. Natürlich tippte er wie ein Wüterich. Ohne große Begeisterung nahm er an und machte mich darauf aufmerksam, daß er nicht viel Zeit habe.
    Wir gingen in ein kreolisches Restaurant hinter dem Colegio de la Inmaculada am Jirón Chancay, wo es Gerichte aus Arequipa gab, die ihn, so sagte ich, vielleicht an die berühmten scharfen Gerichte aus Bolivien erinnern würden. Aber der Künstler blieb seinen frugalen Normen treu und war mit einer Bouillon mit Ei und gekochten dicken Bohnen zufrieden, von denen er kaum nippte. Er bestellte keinen Nachtisch und schimpfte mit Ausdrücken, die die Kellner verwunderten, daß sie es nicht verstünden, seinen Tee aus Kamille und Pfefferminz zuzubereiten. »Ich habe eine Pechsträhne«, sagte ich, sobald wir bestellt hatten. »Meine Familie hat meine Liebesgeschichte mit Ihrer Landsmännin entdeckt, und da sie älter ist als ich und geschieden, sind sie furchtbar wütend. Sie werden irgend etwas tun, um uns zu trennen, und das verbittert mich.« »Meine Landsmännin?« wunderte sich der Schreiber. »Sie sind verliebt in eine Argentinierin, pardon, Bolivianerin?« Ich erinnerte ihn daran, daß er Tante Julia kennengelernt hatte, daß wir

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