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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Bruder ist Hopfen und Malz verloren!« schrie sie zu guter Letzt dem Marschall ins Ohr. Die Lothringerin hatte eine so kräftige und schrille Stimme, daß sie der Schwerhörige immer ganz leidlich verstand. Sie strengte ihre Lungen gehörig an. Sie wollte ihrem Zukünftigen beweisen, daß er für sie nie taub sein dürfe.
    »Drei Mätressen hat er gehabt!« wiederholte der alte Mann. »Drei Mätressen und dabei eine Adeline zur Frau! Arme Adeline.«
    »Wenn ich dir einen Rat geben darf, so benutze deinen Einfluß auf den Fürsten von Weißenburg, um deiner Schwägerin irgendein Ehrenamt zu verschaffen. Sie wird das nötig haben, denn des Barons Gehalt ist auf drei Jahre verpfändet.«
    »Ich werde ins Ministerium gehen und den Marschall aufsuchen und will einmal hören, was er über meinen Bruder denkt. Ich werde ihn bitten, sich meiner Schwägerin tatkräftig anzunehmen. Was für eine geeignete Stelle könnte es denn für sie geben?«
    »Die Damen, die sich für die Pariser Armenpflege interessieren, haben unter dem Patronat des Erzbischofs einen Wohltätigkeitsverein gegründet. Sie brauchen Aufsichtsdamen, die anständig bezahlt werden und die Aufgabe haben,, wirklich Bedürftige zu ermitteln. Eine derartige Beschäftigung würde für Adeline passen und so recht nach ihrem Herzen sein.«
    »Bestelle die Pferde!« entgegnete der Marschall. »Ich will mich zurechtmachen und nötigenfalls nach Neuilly fahren.«
    Wie er sie liebt! sagte die Lothringerin bei sich. Immer und überall nur Adeline!
    Lisbeth war bereits Herrscherin im Hause des Marschalls, aber nur, wenn er nicht zu Hause war. Die drei Dienstboten zitterten vor ihr. Für sich hielt sie ein Kammermädchen. Indem sie ihre Altjungfern-Genauigkeit so recht walten ließ, mußte ihr über alles Rechenschaft abgelegt werden. Sie prüfte alles nach und war in allem auf den Vorteil ihres lieben Marschalls bedacht. Republikanisch gesinnt wie ihr Bräutigam, gefiel sie ihm darin überaus. Auf das sorglichste gepflegt, begann er bereits in Lisbeth ein Stück Ideal zu sehen.
    »Lieber Marschall«, rief sie ihm zu, als sie ihn bis zum Wagen geleitete, »mache die Wagenfenster hoch! Es könnte ziehen. Tu es, bitte, mir zuliebe!«
    Der Marschall lächelte ihr trotz seines beklommenen Herzens zu. Der alte Junggeselle war sein Lebtag nicht verhätschelt worden. Dann fuhr er weg.
    Zur selben Stunde verließ Baron Hulot seine Kanzlei und begab sich nach dem Geschäftszimmer des Marschalls Fürsten von Weißenburg. Dieser hatte ihn zu sich befohlen. Obgleich das an und für sich gar nichts Ungewöhnliches war, fühlte sich Hulot in seinem Gewissen dermaßen geradezu krank, daß er argwöhnisch das Gesicht des Kanzleidieners studierte, der ihn holte. Es kam ihm kühl und unfreundlich vor.
    »Mitouflet, was macht der Fürst?« fragte er ihn, indem er die Tür schloß und neben dem Beamten dahinschritt.
    »Durchlaucht muß etwas gegen den Herrn Baron haben«, gab ihm der zur Antwort. »Er hat Gewitterlaune ...«
    Hulot wurde fahl und sagte nichts weiter. Pochenden Herzens und in Erregung kam er im Vorzimmer des Kriegsministers an.
    Der Fürst war siebzig Jahre alt. Er hatte schneeweißes Haar und ein rotes Gesicht. Seine hohe Stirn verkündete seinen Strategenruhm. Unter dunklen, markant geschwungenen Brauen leuchteten seine blauen Napoleonsaugen. Es lag Melancholie, Verbitterung, Sehnsucht in ihnen. Dieser Nebenbuhler Bernadottes hatte umsonst gehofft, sich auf einem Königsthron auszuruhen. Etwas Furchtbares glomm in diesen Augen, wenn sich in ihnen eine tiefe Erregung spiegelte. Seine sonst wohlklingende Stimme wurde dann schrill. Im Zorn war der Fürst ganz der alte Soldat von ehedem. Dann redete er die brüske Sprache, die er als Leutnant Collin gesprochen hatte. Den kannte Hulot. Als er in das Zimmer trat, sah er den alten Löwen leeren Blickes stehen, mit dem Rücken an den Kamin gelehnt.
    »Melde mich ganz gehorsamst zur Stelle, Durchlaucht!« sagte Hulot unbefangen und in militärischem Tone.
    Der Marschall blickte ihn durchdringend an und erwiderte kein Wort, bis Hulot dicht vor ihn getreten war. Dieser bleischwere Blick dünkte dem Baron wie ein Blick Gottes. Verwirrt sah er zu Boden. Er weiß alles! sagte er sich.
    Der Marschall begann mit ernster, dumpfer Stimme:
    »Sagt Ihnen Ihr Gewissen nichts?«
    »Durchlaucht, es sagt mir, daß es nicht recht von mir war, ohne Eurer Durchlaucht Wissen in Algier auf Raub auszugehen. So wie ich gelebt und gewirtschaftet habe,

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