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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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dich herum zu manipulieren, damit du sie im Stich lassen kannst. Beleidige mich nicht, indem du das miteinander vergleichst. Wir tun
nicht
das Gleiche.« Ich funkelte Mickey noch eine Zeitlang an, dann riss ich mich los.
    Das Letzte, was ich von ihm hörte, als ich den Flur entlanglief, war mein Name, doch ich drehte mich nicht um. Ich blieb auch nicht stehen, als sich Peony erkundigte, wie der Besuch gelaufen sei. Ich ging einfach weiter und hatte es schon beinahe zu meinem Auto geschafft, als ich schließlich unter der unerträglichen Last zusammenbrach. Ich muss einen halben Liter Tränen geweint haben, ehe mir klarwurde, dass ich mich nur an einen einzigen Menschen wenden konnte. Gleason. Mein Handyakku war leer, doch ich beschloss, es trotzdem zu versuchen. Also fuhr ich zum Deep River Center und hoffte einfach, dass er noch in seiner Praxis war.
    Er fuhr gerade vor mir vom Parkplatz. Ich bremste heftig, drückte auf die Hupe und erschreckte ihn vermutlich zu Tode, aber er hielt an. Es schüttete immer noch, und nach den paar Schritten zu seinem Auto war ich klatschnass.
    »Lucy! Was ist los?«, rief er durch das geöffnete Beifahrerfenster.
    »Ich muss Sie sprechen.«
    »Na, dann steigen Sie ein. Steigen Sie ein! Was ist passiert?«
    »Er hat uns was vorgespielt!«, tobte ich. »Mickey tut so, als sei er verrückt, damit er sich nicht …«
    »Immer hübsch langsam, Lucy«, sagte Gleason, zog sein Jackett aus und legte es mir über die Schultern. »Fangen Sie ganz von vorn an.«
    Ich erzählte ihm, was Mickey gesagt hatte, von unserem Streit, und dass er nur so getan hatte, als sei er geistesgestört, weil er glaubte, ohne mich nicht leben zu können. Dass ich herumgeschrien hatte und dann, als Mickey behauptete, wir beide würden uns gleich verhalten, einfach gegangen war. Gleason unterbrach mich kein einziges Mal. Er hörte zu und nickte und sah traurig aus. Als ich fertig war, tätschelte er meine Hand. »Fühlen Sie sich jetzt besser?«
    Er war zerknautscht, das schüttere Haar klebte an seinem nassen Kopf, und seine Miene war die eines besorgten Vaters. »Ich hätte ihn nicht besuchen sollen.« Ich rieb mir die Stirn. »Es war grässlich! Mickey hat sich ja schon öfter egoistisch verhalten, aber nicht
so
egoistisch.«
    »Er hat Angst davor, Sie zu verlieren. Er hätte Sie schon einmal beinahe verloren, und davor fürchtet er sich.«
    »Es geht aber nicht um mich, sondern um das Baby.«
    »Lucy, er kann nicht über Ihren Verlust hinaus bis zu dem Baby denken. Das Kind ist nur eine Vorstellung, aber es ist nicht wirklich. Und für ihn ist es ganz sicher nicht so real wie für Sie. Die Angst, Sie zu verlieren, übertrumpft einfach alles.«
    »Na und? Soll er jetzt mit dieser ausgefeilten …
Vorstellung
durchkommen?«
    »Finden Sie, er sei mit irgendetwas durchgekommen, Lucy? Das stimmt nicht. Wir dürfen nicht vergessen, dass seine Manipulation beinahe sein Herz zum Stillstand gebracht hat. Da wäre er doch sehr weit gegangen, nur um etwas zu beweisen, meinen Sie nicht? Er ist krank, Lucy. Gleichgültig, was er getan und wie er das vor sich selbst gerechtfertigt hat, all das geschah unter dem Einfluss seiner Krankheit. Das scheinen Sie vergessen zu haben.«
    Seufzend schlug ich die Hände vors Gesicht. »Das habe ich nicht vergessen. Ich habe diese Seite an ihm nur noch nie gesehen.« Ich rieb mir die Schläfen. Allmählich setzte die Erschöpfung ein. Schließlich blickte ich auf. »Gleason, glauben Sie, dass er zu krank ist? Ist er wirklich zu krank, um ein Vater zu sein?«
    »Zu krank? Nein. Meiner Ansicht nach nicht. Aber zu
überzeugt davon,
dass er zu krank ist? Möglicherweise. Und das scheint mir zurzeit das größere Problem zu sein.« Gleason wandte sich ganz zu mir um, was in dem kleinen Auto gar nicht einfach war. »Er hat auf verrückte Art und Weise ein vernünftiges Argument vorgebracht.«
    »Und was soll ich jetzt tun?«
    »Es aussitzen, Lucy. Wie immer. Er macht ein großes Drama darum, dass seine Tochter es besser haben soll als er und dass er nicht weiß, ob er dafür sorgen kann.«
    »Er wäre also in der Lage, ein guter Vater zu sein? Das bilde ich mir nicht ein?«
    Gleason dachte darüber nach. »Ich glaube, Mickey ist dazu in der Lage. Aber die Sache ist komplizierter. Im Moment manifestieren sich seine Erkrankung, seine Ängste, seine Wut und die Angst um Sie in irrationalen Gedanken, die zu diesem Verhalten geführt haben.«
    Ich seufzte zittrig. »Ich habe wohl vergessen, dass

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