Tanz auf Glas
Hause gekommen und hatte sich aufs Bett plumpsen lassen, wo ich die Tageszeitung ausgebreitet hatte und den riesigen Anzeigenteil las. Priss saß in Dads Sessel und lackierte sich die Zehennägel, und im Fernsehen hatte Jay Leno gerade mit seinem Monolog begonnen.
»Wie war deine Verabredung?«, fragte ich und malte einen Kringel um einen Schmortopf, von dem ich dachte, er könnte ein schönes Weihnachtsgeschenk für Jan sein.
»Ich weiß nicht«, antwortete Lily ein wenig abwesend. »Ron war in letzter Zeit so seltsam. Nervös. Ich glaube, er will mit mir Schluss machen.«
»Ron? Mit dir Schluss machen? Dass ich nicht lache«, erwiderte ich.
»Davon ginge die Welt auch nicht unter«, sagte Priss. »Es gibt da draußen noch andere Männer, weißt du?«
»Ich war auch schon mit anderen Männern aus, Priscilla«, fauchte Lily.
»Ach ja, das Jahr Probe-Dates, das ihr absolviert habt. Hatte ich ganz vergessen.«
»Gott sei Dank ist das vorbei«, brummte Lily. »Aber jetzt ist Ron so …« Es überraschte mich, wie gequält sie wirkte.
»Lily …«
»Vielleicht gibt es jemanden an der Schule, und er will wieder mit ihr zusammenkommen.« Sie seufzte tief und schüttelte den Kopf. »Ich will jetzt nicht mehr darüber nachdenken. Wovon habt ihr denn gerade gesprochen?«
»Von Weihnachten«, antwortete ich.
»Ich finde ja immer noch, dass es Zeit wird, die Party abzuschaffen.« Priss knüpfte wieder an unsere Auseinandersetzung von zuvor an. »Manche Dinge müssen irgendwann enden.«
»Auf keinen Fall«, erwiderte ich. »Es hat schon viel zu viel geendet, die Party können wir nicht auch noch aufgeben. Sie muss stattfinden … für Mom.«
»Ich kann mich da nur Lu anschließen, Priss«, sagte Lily ein wenig gedankenverloren. »Das ist eine Tradition.«
»Welche Überraschung«, bemerkte Priss, aber sie wusste, dass wir recht hatten.
Als meine Eltern nach Brinley gezogen waren, war Mom mit Priscilla schwanger gewesen und Dad gerade als zweite Kraft der Zweimannpolizei im Ort angestellt worden. Sie hatten niemanden hier gekannt, also hatten sie beschlossen, Weihnachten als Anlass zu nutzen, um ihr Haus für alle und jeden zu öffnen und sich so vorzustellen. Diese Party hatten sie seither jedes Jahr gegeben, und ich konnte mir Weihnachten nicht mehr ohne vorstellen. Letzten Endes wehrte sich Priscilla nicht ernsthaft dagegen, denn auch wenn sie es nicht zugeben wollte – ihre ganze Vergangenheit steckte in Brinley, hier bewahrte sie ihr Gestern auf. Wohin das Leben sie auch führen mochte, hier hatte alles angefangen, hier im Herzen dieses kleinen Ortes.
Mit einem herzhaften Seufzen gab sie nach, und eine Stunde später waren schon sämtliche Einzelheiten besprochen. Danach schlüpfte ich in Moms Bett, und Lily zog ihren Schlafanzug an und legte sich zu mir. Priss war die Einzige, die
Perry Mason
wirklich verfolgte. Doch wir hörten es alle: Unten ging die Haustür auf und wieder zu, und ein paar Sekunden später kamen Schritte die Treppe herauf. Ich griff nach Lilys Hand und wechselte einen Blick mit Priscilla, die aufgesprungen war. Sie schlich zur Tür, spähte durch den Türspalt und entspannte sich. »Was zum Teufel willst du hier?«
Ron Bates betrat mit aschfahlem Gesicht das Schlafzimmer. Lily setzte sich auf und schlug sich beide Hände vor den Mund. »Was soll das?«, fragte sie dahinter.
»Lil … kann ich … kann ich mit dir reden? Allein?«
»Nein. Nein! Das darf nicht wahr sein.«
»Lily, bitte.«
»Ich gehe mit dir nirgendwohin, Ronald Bates!«, schrie sie. »Du wirst schon hier mit mir Schluss machen müssen, vor meinen Schwestern.«
Priscilla verschränkte die Arme vor der Brust, reckte das Kinn und starrte Ron an, der zutiefst entsetzt wirkte. »Wir gehen auch nirgendwohin, du kleine Ratte, also mach es kurz und verschwinde. Wir schauen gerade
Perry Mason.
«
Ron riss verblüfft den Mund auf. »Ich will nicht Schluss machen, du Dummerchen! Lily, ich will dich heiraten!«
Man hätte meinen können, dass er
mir
einen Antrag gemacht hätte, so sehr glich meine Reaktion der einer glücklichen Braut. Ich sprang auf und begann kreischend auf Moms Bett herumzuhüpfen, während Ron Lily küsste und Priss den Fernseher lauter stellte.
Ron Bates hatte meine Schwester geliebt, seit sie Kinder gewesen waren, und von einer so reinen Liebe konnte jede Frau eigentlich nur träumen.
Lily besaß diese Liebe, und ich wünschte sie mir. Während ich mich immer mehr in Mickey verliebte, rief ich
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