Tanz der Engel
meiner Sicht der Dinge ja eh nicht glaubst, habe ich Coelestin gebeten, mit dir zu sprechen«, erklärte er, bevor er mich in das Büro des Schulleiters schob und hinter mir die Tür zuzog.
»Setz dich, Lynn«, forderte Coelestin mich auf.
Widerwillig trat ich näher. Zwei weiße Tassen samt Teller standen auf dem gläsernen Beistelltisch. Daneben befanden sichfrische Brötchen, Croissants, Aufstrich, Obst, Milch, Kaffee in einer Thermoskanne und Orangensaft. Notgedrungen setzte ich mich in den für mich vorgesehenen Sessel.
Was konnte Coelestin mir erklären, das ich Aron nicht glauben würde? Dass ihm das mit meiner Seele selbst nicht gefiel, aber niemand etwas daran ändern konnte? Oder sollte mir hier eine Lüge aufgetischt werden, damit ich nicht versuchte abzuhauen?
Angst überkam mich. Die Tasse, die ich hielt, um mir einschenken zu lassen, glitt aus meiner Hand. Kaffee breitete sich auf dem Frühstückstisch aus.
»Es … ich … es tut mir leid«, stammelte ich, unfähig, einen klaren Satz zu formulieren.
»Das braucht dir nicht leidzutun.« Nachsichtig tupfte Coelestin mit seiner Serviette den Kaffeefleck auf, goss nach, füllte Milch hinzu und stellte die Tasse vor mir ab. »Ich kann verstehen, warum du ein wenig durcheinander bist.«
Seine Gelassenheit verstärkte meine Furcht. Wenn man ein Tier beruhigen wollte, sprach man so – oder eben mit einem Todeskandidaten. Um meine Nervosität zu verbergen, umklammerte ich die wärmende Kaffeetasse und vermied es, Coelestin anzuschauen. Doch die Narben in dem von tiefen Falten durchzogenen Gesicht lenkten meinen Blick immer wieder zu ihm zurück.
»Ich habe gehört, dass deine Verletzungen gut verheilt sind«, begann Coelestin.
Ohne aufzusehen, blies ich in die Kaffeetasse und nickte.
»Schön. Dämonenstaub und das Schwert eines Racheengels vertragen sich nicht besonders gut miteinander. Auch wenn Christopher dich sehr behutsam entwaffnet hat.«
Ich hatte Mühe, die zierliche Tasse nicht zu zerquetschen. Wenn das sehr behutsam war, wollte ich nicht wissen, wie es sich anfühlte, wenn Christopher sich nicht zurückhielt.
»Du hast Aron ziemlich überrascht mit deinem Angriff.« Coelestins Augen bohrten sich in meine. Langsam kam er dem eigentlichen Grund näher, warum ich hier war. Trotz des nett arrangierten Frühstücks ging es hier nicht um einen Vergnügungsplausch.
Coelestins Macht, die Wahrheit in meinen Augen zu erkennen, legte sich über mich – er verhörte mich. Ein Funke Hoffnung erwachte in mir. Vielleicht hatte ich doch noch eine Chance, mich und meine Seele zu verteidigen.
»Was hat dich dazu gebracht, die Waffe auf Aron zu richten?«
»Ich … das, das weiß ich nicht so genau«, stotterte ich.
Coelestin versuchte mir zu helfen. »Was hat du gefühlt? Gab es einen Auslöser?«
Die warme Tasse in meiner Hand war das Einzige, das mir Halt gab, um Coelestins bohrendem Blick standzuhalten, während meine Erinnerungen wiederkehrten.
»Aron. Er … wollte mich aufhalten. Doch ich wusste, dass Christopher im Schloss war. Da … da wurde ich wütend. Ich wollte nur mit ihm reden, ihn kurz sehen, um zu erfahren, warum er nicht kommen konnte. Aber Aron … Aron sah das anders. Und als ich den Dolch spürte, wusste ich, wie ich ihn überzeugen konnte, mich vorbeizulassen.«
Ich hielt kurz inne, um Luft zu holen. Coelestins Verhörtechnik war kräfteraubend. »Aber … wann … warum ich zustach, das …«, meine Stimme zitterte. »Ich … ich weiß es nicht.«
Coelestin brach den Blickkontakt ab, und ich sackte förmlich in mich zusammen. Erschöpft schloss ich die Augen und wartete auf mein Urteil. Coelestin nahm mir die Tasse ab und umschloss meine Hände mit seinen.
»Es gibt einen Grund, warum dir der Dämonenstaub nichts anhaben konnte. In seiner reinen Form ist er für Menschen tödlich, es sei denn, sie besitzen noch einen Teil ihres Dämonenerbes.«
Coelestin hielt mich fest, bis meine Hände aufhörten zu zittern. Innerlich bebte ich weiter, während er erzählte.
»Dämonen gibt es schon lange nicht mehr. Sie haben sich selbst vernichtet. Das, was dem Feuer entkam, ist ungefährlich. Die Geister, Irrlichter und Satane zogen sich zurück und suchten Schutz bei ihren Halbgeschwistern, den Totenwächtern.«
Mir schauderte – ich kannte beide.
»Es war nicht immer so, dass wir sie hassten. Im Gegenteil. Es gab eine Zeit, da drohten die Engel auszusterben. Das Erbe der Dämonen verhinderte das. Unsere gemeinsamen Kinder
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