Tanz der Hexen
er antworten konnte, fing sie an sich a n zuziehen.
Michael ging zum Fenster und kurbelte sofort die grünen Blenden herunter. Die Hausecke dahinter lag verlassen im dunklen Schatten der Eichen. Die Quecksilberlaterne auf der Straße hing dort oben wie ein Vollmond gefangen zwischen den Ästen. Michael zog das Fenster herunter und drehte den Riegel herum. Es sollte doch immer verschlossen sein! Er war wütend.
»Riechst du’s?« fragte sie noch einmal. Sie war angekleidet, als sie sich umdrehte .Das Zimmer lag jetzt im Dunkeln, nac h dem er das Licht von der Ecklaterne ausgesperrt hatte. Sie kam zu ihm und wandte ihm den Rücken zu, damit er ihr die Schärpe am Kleid zuband.
»Verdammt, wer war das?« Der steif gestärkte Baumwollstoff fühlte sich gut an. Er band die Schärpe zu, so gut er konnte; er hatte so etwas bei einem kleinen Mädchen noch nie getan. Er bemühte sich, die Schleife hübsch zurechtzuziehen, als er fertig war. Sie drehte sich um und starrte an ihm vorbei zum Fenster.
»Du nimmst diesen Geruch nicht wahr, was?« Sie ging an ihm vorbei und spähte durch die Fensterscheibe und die Holzl a mellen. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Du hast nicht gesehen, wer es war, oder?« Er hatte nicht übel Lust, hinauszugehen, durch den Garten zu stürmen und um den Block zu laufen; er wollte jeden Fremden zur Rede stellen, wollte die Chestnut Street hinauf- und die First Street hinunterlaufen, bis er jemanden Verdächtiges gefunden hätte.
»Ich muß jetzt weg«, sagte sie. »Ich muß zu meiner Mutter. Ich hätte schon eher gehen sollen. Es jagt ihr wahrscheinlich eine Todesangst ein, daß sie im Krankenhaus liegt.«
»Du hast überhaupt nichts gesehen?« fragte er.
Er folgte ihr, zur Tür hinaus und den Flur entlang.
»Ich habe den Geruch bemerkt«, sagte sie. »Ich glaube, es war der Geruch, der mich geweckt hat, und dann habe ich das Geräusch am Fenster gehört.«
Wie ruhig er wirkte. Seine Wut umgab ihn mit schützenden Flammen. Er öffnete die Haustür und ging als erster hinaus. Überall dort draußen konnte sich jemand verstecken, hinter den Eichen, auf der anderen Straßenseite, hinter der Mauer, ja, sogar geduckt unter den großen Elefantenohren und Palmbüschen in seinem eigenen Garten. In meinem eigenen Ga r ten.
»Ich gehe jetzt, Michael. Ich rufe dich später an.«
»Du mußt verrückt sein, wenn du glaubst, ich würde dich so allein im Dunkeln nach Hause spazieren lassen. Bist du verrückt?«
Sie blieb auf der Treppe stehen. Sie hatte protestieren wollen, aber dann warf auch sie einen wachsamen Blick in die dun k len Schatten ringsum. Nachdenklich spähte sie ins Astwerk hinauf und dann hinüber zur dunklen Chestnut Street.
»Ich lasse dich nach Hause fahren.« Er zog sie ins Haus und machte die Tür zu.
Henri war in der Küche, wie es sich gehörte; in weißen Hemdsärmeln und Hosenträgern saß er da und trank seinen Whiskey aus einer Porzellantasse, damit niemand es merkte. Er legte seine Zeitung hin und stand auf. Er würde das Kind nach Hause bringen, natürlich. Oder ins Krankenhaus? Gewiß. Was immer Miss Mona wollte. Er langte nach seinem Jackett, das griffbereit hinter ihm über der Stuhllehne hing.
Michael ging mit ihnen hinaus in die Zufahrt, voller Mißtrauen gegen die Dunkelheit, und brachte sie sicher zum Wagen. Mona winkte. Als sie wegfuhr, erfüllte ihn schmerzendes Ve r langen nach ihr, weil er sie ohne eine Abschiedsumarmung hatte gehen lassen. Dann schämte er sich dafür.
Er ging ins Haus und schloß die Küchentür hinter sich ab.
Er begab sich zum Wandschrank unter der Treppe in der Di e le. Seine alte Werkzeugkiste stand dort. Das Haus war so groß, daß man in jedem Stockwerk eine Werkzeugkiste brauchte. Aber das hier war sein altes Werkzeug, waren seine Lieblingssachen, und das hier war der Klauenhammer mit dem verschlissenen alten Holzgriff, der ihm schon all die Jahre in San Francisco so treue Dienste geleistet hatte.
Ein seltsames Gefühl überkam ihn, als er jetzt den Hammer umklammerte und durch das Bibliotheksfenster spähte. Das hier war Dads Hammer gewesen. Er hatte ihn als Junge mit nach San Francisco genommen, zusammen mit dem gesa m ten Werkzeug seines Vaters. Es war schön, etwas von Dad hier zu haben, inmitten des großen, sorgfältig inventarisierten Reichtums der Familie Mayfair, ein oder zwei schlichte Wer k zeuge. Er wog den Hammer in der Hand. Zu gern hätte er dem Eindringling damit den Schädel eingeschlagen. Als hätten wir nicht
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