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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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deshalb.«
    Er war schläfrig; er geriet ins Trudeln; er schlief nicht ein; er konnte nicht; zuviel stand vor seinem geistigen Auge. Er begann zu summen. Wie sollte er sich bei alldem keine Sorgen machen? Er konnte die Augen nicht schließen. Er summte und sang leise.
    »Violettas Walzer«, sagte sie. »Halte mich nur für ein Weilchen fest, ja?«
    Es schien, als schlafe er doch; zumindest versank er in einen ähnlich friedlichen Zustand. Seine Finger lagen an ihrem a n b e tungswürdigen, schweißnassen Hals, und seine Lippen b e rührten ihre Stirn. Aber dann ertönte die Türglocke, und er hörte Eugenia im Flur. Sie ließ sich Zeit mit dem Öffnen und redete die ganze Zeit laut vor sich hin, wie sie es immer tat. »Bin schon unterwegs. Komme schon.«
    Der Bericht war gebracht worden. Er mußte ihn sehen. Wie er ihn holen sollte, ohne das schlafende Kind auf dem Teppich preiszugeben, wußte er nicht. Aber er mußte den Bericht s e hen. Es hatte nicht einmal eine halbe Stunde gedauert, bis die Akte hier eingetroffen war. Er dachte an Rowan und verspürte eine Angst, die er nicht in Worte fassen konnte; er konnte ke i ne Entscheidung treffen, ja, nicht einmal darüber nachdenken.
    Er setzte sich auf und versuchte, seine Kräfte wiederzufinden, die Trägheit von sich abzuschütteln und das nackte Mädchen nicht zu sehen, das da auf dem Teppich schlief, den Kopf in ein Nest von roten Haaren geschmiegt; ihr Bauch war ebenso glatt und makellos wie ihre Brüste, und ihr ganzer Körper war eine lustvolle Einladung an ihn. Michael, du Schwein – daß du so etwas tun konntest!
    Mit dumpfem Vibrieren fiel die große Haustür ins Schloß. E u genia ging wieder draußen vorbei. Gleichmäßige Schritte. Sti l le.
    Er zog sich an und kämmte sich. Dann starrte er das Grammophon an. Ja, es war genau dasselbe, das er im Wohnzimmer gesehen hatte und das den Geisterwalzer für ihn gespielt ha t te. Und da lag die schwarze Platte, auf der der Geisterwalzer vor vielen Jahrzehnten aufgezeichnet worden war.
    Mona drehte sich um. Ihr Rücken war makellos und weiß, und ihre Hüften waren bei aller Zierlichkeit proportioniert wie die einer kleinen Frau. Trotz ihrer Jugend hatte sie nichts Knabenhaftes an sich; sie war entschieden weiblich.
    Reiß deine Blicke von ihr los, Mann. Eugenia und Henri sind beide irgendwo in der Nähe. Du stellst dein Glück auf eine harte Probe. Du forderst es geradezu heraus, daß sie dich im Keller einmauern.
    Es gibt keinen Keller.
    Das weiß ich. Dann eben auf dem Dachboden.
    Langsam öffnete er die Tür. Es war still in der großen Diele, still auch im Doppelsalon. Aber da lag ein Umschlag auf dem Tisch in der Diele – dort, wo man Post und Lieferungen immer zu deponieren pflegte. Er sah den Namen Mayfair und Mayfair in der vertrauten Prägeschrift. Auf Zehenspitzen ging er hinaus und nahm den Umschlag; jeden Augenblick, so fürchtete er, konnte Eugenia oder Henri erscheinen. Er ging ins Eßzimmer; dort konnte er sich an den Tisch setzen und die Akte lesen, und wenn sich jemand der Bibliothekstür nähern sollte, könnte er ihn aufhalten.
    Früher oder später würde sie aufwachen und sich anziehen. Und dann? Er wußte es nicht. Er hoffte nur, sie würde nicht nach Hause gehen und ihn hier allein lassen.
    Du mieser Feigling, dachte er. Rowan, würdest du das alles verstehen? Das Komische war, Rowan würde es vielleicht wirklich verstehen. Rowan verstand Männer besser als sonst irgendeine Frau, die er je gekannt hatte, Mona eingeschlo s sen.
    Er knipste die Stehlampe neben dem Kamin an und setzte sich ans Kopfende des Tisches. Dann nahm er den Stapel Fotokopien aus dem Umschlag.
    Es war weitgehend das, was sie ihm schon erzählt hatten.
    Die Genetiker in New York und Europa hatten sich leicht sa r kastisch über die Proben geäußert. »Es scheint sich um eine genau kalkulierte Kombination von genetischem Material von mehr als einer Primatenspezies zu handeln.«
    Die Augenzeugenprotokolle aus Donnelaith waren ein tödlicher Schlag für ihn. »Die Frau war krank. Sie blieb die meiste Zeit auf ihrem Zimmer. Aber wenn er ausging, ging sie mit. Es war, als bestehe sie darauf, mitzukommen. Sie sah krank aus, sehr krank. Einmal hätte ich fast vorgeschlagen, daß sie zu einem Arzt gehen soll.«
    Ein Hotelangestellter in Genf beschrieb Rowan als ausgemergelte Frau von etwa hundertzwanzig Pfund. Michael war entsetzt.
    Er starrte die Kopien der gefälschten Schecks an. Fälschungen! Nicht mal besonders gute. Es

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