Tanz der Hexen
es nur ein Wort gewesen, hinausgeschleudert in die Nacht: Lasher! La s her! Vielleicht auch ein Zusammenfluß von Silben, die nie di e ses Wort hatten werden sollen – aber es hatte bekannt geklungen, in einem Kern seiner selbst, von dem er vergessen hatte, daß er ihn besaß, und er war für sie »zusammengekommen«, hatte sich ihr genähert und die Winde um sie herum peitschen lassen.
»Ich wollte, daß sie in die Ruinen der Kathedrale ging. Ich wollte, daß sie das bunte Glas sah. Aber ich konnte es ihr nicht sagen. Und da war kein buntes Glas mehr.«
»Erkläre mir das alles langsamer.«
Aber er konnte es nicht entwirren. »Sie sagte, ich solle die Frau krank machen. Da machte ich sie krank. Ich stellte fest, daß ich Dinge in die Luft schleudern und auf das Dach schmettern konnte. Es war, als streckte ich mich durch einen langen dunklen Tunnel dem Licht entgegen, und jetzt ist es so scharf, ich spüre die Geräusche, rieche sie… sag’ mir Reime, ich möchte Reime hören.«
Gegen drei Uhr früh gelang es ihr, allein ins Badezimmer zu fliehen; es war wie der größte aller Träume, dieser Augenblick des Ungestörtseins. Dies sollte das Muster der Zukunft sein. In Paris hatte sie bisweilen nur davon geträumt, ein Badezimmer für sich allein zu haben, ein Badezimmer, wo er nicht draußen vor der Tür stand, auf jedes Geräusch lauschte, sie rief, damit sie bekanntgab, daß sie noch da sei und nicht etwa zu fliehen versuchte, ob es nun ein Fenster gab, durch das sie hätte klettern können, oder nicht.
Den Paß beschaffte er sich am nächsten Tag selbst. Er sagte, er werde sich einen Mann suchen, der ihm ähnelte. »Und wenn er keinen Paß hat?« fragte sie.
»Nun, wir werden zu einem Ort für Reisende gehen, nicht wahr? Dort, wo die Menschen hingehen, um Pässe zu bekommen. Und dann warten wir auf einen geeigneten Kandidaten, wie man so sagt, und nehmen ihm den Paß ab. Du bist wohl nicht so gescheit, wie du denkst, hmmm? Das ist doch kinderleicht.«
Sie begaben sich zu der betreffenden Behörde, warteten draußen und folgten einem hoch gewachsenen Mann, der eben seinen Paß ausgehändigt bekommen hatte, und dann trat er dem Mann entgegen. Sie schaute voller Angst zu; er schlug den Mann und nahm ihm den Paß ab. Niemand schien etwas zu bemerken. Es war voll auf der Straße, und der Verkehr s lärm machte ihr Kopfschmerzen. Es war kalt, sehr kalt. Er zer r te den Mann an seinem Mantel in einen Hauseingang. So einfach war das. Sie beobachtete alles. Er war nicht unnötig brutal. Er setzte den Mann außer Gefecht, und jetzt gehörte der Paß ihm.
Frederick Lamarr, Alter fünfundzwanzig, wohnhaft in Manhattan.
Das Bild war ihm ähnlich genug, und als er sich das Haar ein Stück abgeschnitten hatte, würde kein oberflächlicher Betrachter mehr einen Unterschied erkennen.
»Aber der Mann – er könnte tot sein«, sagte sie.
»Ich habe keine besonderen Gefühle für Menschen«, antwortete er. Und dann war er überrascht. »Bin ich denn kein Mensch?« Er griff sich an den Kopf, ging auf dem Gehweg vor ihr her und wirbelte alle paar Augenblicke herum, um sich zu vergewissern, daß sie noch da war, auch wenn er, wie er sa g te, ihre Witterung hatte und sofort merken würde, wenn eine Menschenmenge sie voneinander trennte. Er sagte, er vers u che sich jetzt an die Kathedrale zu erinnern. Suzanne wollte nicht hingehen. Sie fürchtete sich vor den Ruinen der Kirche – ein unwissendes Mädchen, unwissend und traurig. Das Hoc h landtal war leer gewesen! Charlotte konnte schreiben. Charlo t te war so viel stärker als Suzanne oder Deborah gewesen.
»Alle meine Hexen«, sagte er. »Ich habe ihnen Gold in die Hände gelegt. Als ich erst wußte, wie ich es beschaffen kon n te, gab ich ihnen, was ich konnte. O Gott – zu leben, den B o den unter mir zu spüren, die Arme zu heben und zu fühlen, wie die Erde sie herunterzieht!«
Als sie wieder im Hotel waren, setzten sie den chronologisch geordneten Bericht fort. Er sprach Beschreibungen jeder Hexe auf sein Tonbandgerät, von Suzanne bis hinunter zu Rowan, und zu ihrer Überraschung war Julien dabei. Damit waren es vierzehn. Sie wies ihn nicht darauf hin, denn die Zahl dreizehn war etwas sehr Bedeutsames für ihn; er erwähnte es immer wieder: dreizehn Hexen, damit eine stark genug sein würde, sein Kind zu empfangen, sagte er, als hätte Michael nichts damit zu tun, als wäre er sein eigener Vater. Und er ließ sel t same Worte fallen: Maleficium, Mutterkorn,
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