Tanz der Hexen
ist nicht die Gier, weiterzuleben. Aber die Geschichte ist nicht zu Ende, der Dämon existiert weiter, und ich sterbe! Ich will helfen, ich will irgendwie ein Engel des Herrn sein. O Gott, ich glaube nicht an dich. Ich glaube nur an Lasher und mich selbst.«
Ich begann auf und ab zu gehen. Ich ging auf und ab und auf und ab und spielte den Walzer der Violetta, eine Musik, die so absolut frei von jeglicher Art von Trauer zu sein schien, etwas, das so frivol und doch so geordnet war, daß ich es unwiderstehlich fand.
Dann kam ein Augenblick, so ungewöhnlich, daß er vielleicht einzigartig war. In meinem ganzen langen Leben war ich nie so unvorbereitet erwischt worden wie in diesem Moment – und zwar vom Antlitz eines kleinen Mädchens vor meinem Fenster, einem schattenhaft zarten Kind, das auf dem Dach der oberen Veranda kauerte.
Sofort schob ich das widerspenstige Fenster hoch.
»Eve a Lynn«, sagte ich. Und duftend und weich und naß vom Frühlingsregen kam sie in meine Arme.
»Wie bist du hergekommen, Darling?« fragte ich.
»Am Spaliergitter herauf, Onkel Julien, Sprosse für Sprosse. Du hast mir gezeigt, daß eine Dachkammer kein Gefängnis ist. Ich werde zu dir kommen, solange ich kann.«
Wir schliefen miteinander; wir redeten miteinander. Ich lag mit ihr da, als die Sonne aufging. Sie erzählte mir, daß sie jetzt gut zu ihr seien und sie überall hingehen ließen. Richard habe ihr hübsche Kleider gekauft. Cortland habe ihr einen Mantel mit einem Pelzkragen geschenkt. Von Mary Beth habe sie sogar einen Spiegel mit silberner Rückseite und einen Kamm mit Silbergriff bekommen.
Im Morgengrauen setzte ich mich hin und zog das Victrola auf. Wir tanzten Walzer. Es war ein verrückter Morgen von jener Art, wie er auf eine Nacht folgt, in der man über die Stränge geschlagen hat und trunken zwischen Dance Hall und Kneipe hin und her getaumelt ist, doch alles hatte nur in diesem Zimmer stattgefunden. Sie trug jetzt nur noch ihren mit rosa Spitze besetzten Petticoat und eine Schleife im Haar. Wir tanzten und tanzten im Zimmer herum, kichernd, lachend – bis schließlich jemand… ach ja, Mary Beth war es, die die Tür öffnete.
Ich lächelte nur. Ich wußte, daß mein Engelskind mich wieder besuchen würde.
Im Dunkel der Nacht sprach ich mit dem Victrola.
Ich sagte ihm, wie es den Zauberbann bewahren mußte. Natürlich glaubte ich nicht an diese Dinge. Ich hatte mich standhaft geweigert, daran zu glauben. Und doch schnitt ich mir jetzt die Fingernägel und drückte die kleinen Späne zwischen Bodenplatte und Seitenwände. Ich schnitt mir eine Haarsträhne ab und stopfte sie unter den Plattenteller. Ich biß mir in den Finger, daß es blutete, und schmierte das Blut in das dunkel gebeizte Holz des Gehäuses. Ich verwandelte das Ding in eine Puppe meiner selbst, nach Art der Hexenpuppen, und dazu sang ich den Walzer.
Ich spielte den Walzer und sagte: »Komm zurück, komm zurück. Sei zur Hand, wenn sie dich brauchen. Sei zur Hand, wenn sie dich rufen. Komm zurück, komm zurück.«
Ich war von einer schrecklichen Vision besessen: Ich war tot und stand wieder auf, und das Licht kam, und ich wandte ihm den Rücken zu und stürzte mit ausgestreckten Armen, grub mich tief hinein in die Luft, die immer zäher wurde, ebenso dicht wie dunkel. Und es war, als sei die Nacht verstopft von Geistern wie mir, verlorenen Seelen, Narren, die die Hölle fürchteten und an das Paradies nicht glaubten. Und der Walzer spielte immer weiter.
Schließlich erkannte ich die Vergeblichkeit all jener Gesten, erkannte, daß Hexerei nur eine Frage der Konzentration ist – daß man seine wilden und unermeßlichen Energien auf einen Akt der freien Wahl richten kann. Ich würde zurückkehren! Ich würde zurückkehren. Ich sang es gegen die Wände.
Zurückkommen.
Habt acht vor Beobachtern in jener Stunde!
Ja, in jener Stunde wollte ich zurückkommen.
Denn sonst kennt Eden nie mehr Frühling,
Denn sonst herrscht unsre Art nicht mehr.
Michael, erinnern Sie sich gut an die Verse, die Sie von mir gehört haben.
Erinnern Sie sich. Sehen Sie doch, was sie sagen! Michael, ich sage Ihnen, ich wäre nicht hier, wenn die Schlacht vorüber wäre. Die Stunde, von der wir sprechen, ist noch nicht gekommen. Sie haben die Liebe benutzt, ja, das haben Sie getan, und es hat nicht genügt. Aber es gibt andere Werkzeuge, die Sie nehmen können. Denken Sie an das Gedicht: »grausam roh«. Zögern Sie nicht, wenn Sie die Waffe gewahren.
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