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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Lassen Sie sich nicht von Ihrem guten Herzen zurückhalten.
    Warum sonst hätte ich denn herkommen dürfen? Warum sonst hätte ich noch einmal den Walzer unter diesem Dach hören dürfen? Gleich müssen Sie ihn noch einmal für mich spielen, Michael, meinen Walzer, mein kleines Victrola. Spielen Sie ihn, wenn ich nicht mehr hier bin.
    Aber jetzt will ich Ihnen noch von den letzten paar Nächten erzählen, an die ich mich erinnern kann. Ich werde müde. Ich sehe das Ende dieser Worte, aber nicht das Ende der Geschichte. Das müssen Sie erzählen. Ich will Ihnen noch die letzten paar Worte geben. Und vergessen Sie Ihr Versprechen nicht. Spielen Sie die Musik für mich, Michael. Spielen Sie sie, denn ob ich in den Himmel oder in die Hölle fahre, das weiß noch keiner von uns beiden, und vielleicht wird man es nie wissen.
     
    Eine Woche danach gab ich Evelyn das kleine Victrola. Eines Nachmittags, als niemand da war, hatte ich die Gelegenheit genutzt und Richard zu ihr geschickt, um sie zu holen; sie sollte herkommen, sobald sie könnte. Ich ließ mir von den Boys ein großes Victrola aus dem Speiseraum heraufbringen, einen umfangreichen Musikkasten mit einem schönen Klang.
    Und als Evie und ich allein waren, trug ich ihr auf, das kleine Victrola mit nach Hause zu nehmen und zu behalten und nie wieder herzugeben, solange Mary Beth lebte. Nicht einmal Richard sollte wissen, daß sie es hatte; ich fürchtete, er werde sich Mary Beth gegenüber verplappern, wenn sie ihm die Daumenschrauben anlegte. »Nimm es mit«, sagte ich zu Evie, »und sing, wenn du damit hinausgehst. Du mußt singen und singen.«
    Auf diese Weise, dachte ich, würde man Lasher verwirren, falls er bemerken sollte, daß sie dieses geheimnisvolle kleine Spielzeug aus dem Haus schleppte, und dann würde er dem, was er sah, keine weitere Bedeutung beimessen. Ich durfte nicht vergessen: Das Monstrum konnte meine Gedanken lesen.
    Ich war verzweifelt.
    Kaum war Evie gegangen und ihre hohe Singstimme auf der Treppe verklungen, da zog ich das große neue Victrola auf und rief Lasher zu mir. Vielleicht würde er gar nicht auf sie achten.
    Als er erschien, flehte ich ihn an: »Lasher, du mußt die arme kleine Evie stets beschützen. Beschütze sie vor den ändern, um meinetwillen. Wirst du das Kind beschützen?«
    Er hörte mir zu, so gut er konnte, während die Musik ihn in Trance versetzte. Unsichtbar tölpelte er im Zimmer herum, stieß Dinge vom Kaminsims, rüttelte an den Bilderrahmen. Mir war es recht. Es bewies nur, daß er da war!
    »Sehr wohl, Julien«, sang er plötzlich und erschien inmitten eines munteren Tanzes, und seine Füße berührten den Boden, daß es den Anschein von Gewicht und Geräusch erweckte. Welch ein Lächeln! Welch ein Strahlen! Wie sehr wünschte ich mir einen Augenblick lang, ich hätte ihn geliebt.
    Und inzwischen, dachte ich, ist Evie sicher schon zu Hause angekommen.
    Wochen vergingen.
    Evie hatte nun alle Freiheiten. Richard nahm sie oft auf Autofahrten mit, zusammen mit Stella. Tobias ging regelmäßig mit ihr zur Messe.
    Sie kam zu mir, wann sie wollte, durch die Haustür. Aber es gab immer noch Nächte, da sie das Spaliergitter bevorzugte. Stundenlang lagen wir beieinander und küßten und berührten uns. Welch ein Wunder, daß ich in meinem hohen Alter einem so jungen Mädchen ein geschickter Liebhaber sein konnte. Ich vertraute ihr Geheimnisse an, aber nur wenige.
    Diesen letzten Stolz hatten die Götter mir gewährt.
    Als Mary Beth eines Nachmittags nach Hause kam, ließ ich sie neben mir Platz nehmen und schwor ihr, ich hätte dem kleinen Mädchen nichts Wichtiges verraten, und sie müßten in den nächsten Jahren auf sie Acht geben.
    Mary Beth hatte Tränen in den Augen, was ich nur sehr selten gesehen hatte.
    »Julien, wie sehr du mich mißverstehst, mich und alles, was ich getan habe. All die Jahre habe ich mich bemüht, uns zusammenzubringen, uns stark an Zahl und Einfluß zu machen. Uns glücklich zu machen! Glaubst du, ich würde einem Kind etwas antun, das von unserem Blut ist? Cortlands Tochter? Oh, Julien, du brichst mir das Herz. Vertraue auf mich; vertraue darauf, daß ich weiß, was ich tue. Vertraue mir, bitte. Julien, stirb nicht in Aufruhr und Angst. Laß das nicht zu. Laß deine letzten Stunden nicht häßlich von der Angst werden. Ich werde Tag und Nacht bei dir sitzen, wenn ich muß. Stirb in Ruhe. Wir sind die Familie Mayfair… eine Million Meilen entfernt von dem, was wir vor so langer Zeit in

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