Tanz der Hexen
ich nicht abreisen werde. Erich. Es war mir ein Vergnügen, Sie endlich kennen zu lernen, und mir ist klar, daß ich nicht versuchen darf, Sie davon abzubringen, Ihren Befehlen zu gehorchen. Sie sind hier, um etwas zu tun. Und Sie werden versuchen, es zu tun. Aber ich reise nicht ab. Yuri, willst du bei mir bleiben?«
»Aber Aaron«, sagte Stolov, »das kommt für Yuri einfach nicht in Frage. Er ist bereits…«
»Natürlich werde ich bleiben«, unterbrach ihn Yuri. »Deinetwegen bin ich doch hergekommen.«
»Wo sind Sie abgestiegen, Erich? Im Pontchartrain, wie wir ändern?« fragte Aaron.
»In der City«, antwortete Stolov. Er wurde wieder ungeduldig und hitzig. »Aaron, Sie sind der Talamasca im Augenblick keine Hilfe.«
»Das tut mir leid«, sagte Aaron. »Aber ich muß gestehen, Erich, daß die Talamasca mir – im Moment – auch keine Hilfe ist. Das hier ist jetzt meine Familie, Erich. Hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen.«
Das Gespräch war beendet. Aaron streckte die Hand aus. Der große blonde Mann sah für einen Augenblick so aus, als wolle er die Geduld verlieren, aber dann wurde er wieder kühl und richtete sich auf. »Ich werde morgen früh mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Wo werde ich Sie finden?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Aaron. »Wahrscheinlich hier… bei all diesen Leuten. Bei meinen Leuten. Ich denke, hier sind wir jetzt am sichersten; meinen Sie nicht auch?«
»Ich verstehe Ihre Haltung nicht, Aaron. Wir brauchen Ihre Kooperation. Ich will so schnell wie möglich Kontakt aufnehmen, mit Michael Curry sprechen…«
»Nein. Diese Familie werden Sie nicht belästigen, zumindest nicht mit meiner Erlaubnis oder mit meiner Hilfe.«
»Aaron, wir wollen helfen! Darum bin ich hier!«
»Gute Nacht, Erich.«
Völlig verdutzt stand der blonde Mann da und suchte nach Worten; dann wandte er sich auf dem Absatz um und marschierte davon. Der große schwarze Wagen wartete auf ihn, wie er seit zwei Stunden wartete, während das gleiche Stück immer wieder von vorn gespielt worden war.
»Er lügt«, sagte Aaron.
»Er ist nicht von der Talamasca«, sagte Yuri; aber es war eher eine Erwägung als eine Feststellung.
»O doch. Er ist einer von uns, und er lügt. Du darfst ihm nicht für einen Augenblick den Rücken zuwenden.«
»Nein, das würde ich auch nicht tun. Aber Aaron, wie kann das sein? Wie kann denn so etwas…«
»Ich weiß es nicht. Ich habe schon von ihm gehört. Er ist seit drei Jahren bei uns. Ich habe von seiner Arbeit in Italien und in Rußland gehört. Man schätzt ihn sehr. David Talbot hat große Stücke auf ihn gehalten. Wenn wir nur David nicht verloren hätten… Aber Stolov ist nicht allzu clever. Er kann nicht gut Gedanken lesen. Er könnte es vielleicht, wenn er selbst nicht so sehr auftrumpfen würde. Aber seine Fassade erfordert all seine Gerissenheit, und so ist er eben nicht sehr gut.«
Der schwarze Wagen hatte sich vom Randstein gelöst und war lautlos davon geglitten.
»Mein Gott, Yuri«, flüsterte Aaron plötzlich. »Ich bin froh, daß du da bist.«
»Ich auch, Aaron. Ich verstehe das alles nicht. Ich möchte Kontakt mit den Ältesten aufnehmen. Ich möchte mit jemandem sprechen, eine Stimme hören.«
»Das wird niemals geschehen, mein Junge.«
»Aaron, was habt ihr denn gemacht, als es noch keine Computer gab?«
»Es kam alles in Maschinenschrift. Sämtliche Korrespondenzen gingen ans Mutterhaus in Amsterdam, und die Antworten kamen per Post. Die Kommunikation nahm mehr Zeit in Anspruch; ich nehme an, es wurde auch weniger gesagt. Aber niemals war eine Stimme damit verbunden, Yuri, oder ein Gesicht. Und vor den Tagen der Schreibmaschine gab es einen Schreiber, der die Briefe für die Ältesten zu Papier brachte. Niemand wußte, wer das war.«
»Aaron, ich will dir etwas sagen.«
»Ich weiß, was du sagen willst«, sagte Aaron langsam und nachdenklich. »Du hast das Amsterdamer Mutterhaus gut gekannt, bevor du es verlassen hast – jede Nische, jeden Winkel. Du hast trotzdem keine Ahnung, wo die Ältesten zusammenkommen und wo sie ihre Korrespondenz entgegennehmen. Aber das weiß niemand.«
»Aaron, du bist doch schon seit Jahrzehnten im Orden. Du kannst einen Appell an die Ältesten richten. Es gibt doch unter solchen Umständen sicher eine Möglichkeit…«
Aaron lächelte kühl und wissend. »Da erwartest du mehr als ich, Yuri«, sagte er.
Die hübsche grauhaarige Frau war von der Veranda heruntergekommen und näherte sich. Sie war feingliedrig und
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