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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Licht.
    Da war kein Gericht.
    Da war kein Himmel.
    Da war keine Hölle.
    …
    Da war nur Dunkelheit.
    …
    Und dann kam Suzanne.
    Suzanne rief in die Nacht.
    Ashlar, St. Ashlar.
    Ein strahlend fleischliches Wesen, kaum sichtbar dort im Steinkreis! Und schau doch, der Ring aus Steinen, wie rund! Höre ihre Stimme!
    Und durch die langen, langen Jahre herab kam der Ruf, schwach und winzig erst, wie ein feiner Funke, dann lauter und klarer, und ich kam zusammen, um ihn zu hören:
    »Komm jetzt, mein Lasher, höre meine Stimme.«
    »Wer bin ich, Kind?« War das meine Stimme, die da sprach? War das endlich meine eigene, meine wahre Stimme?
    Keine Zeit, keine Vergangenheit, keine Zukunft, keine Erinnerung…
    Nur eine trübe Vision von warmem Fleisch durch den Nebel, ein verschwommenes Wesen, das aus dem Kreis heraufreichte.
    Und ihre kindliche Antwort, ihr Lachen, ihre Liebe:
    »Mein Lasher, der bist du, du bist mein Rächer, mein Lasher. Komm!«

 
37

    Lasher saß da und schwieg, die Hände flach auf den Tisch gelegt, den Kopf gesenkt.
    Michael sagte nichts, aber er hob vorsichtig den Kopf und sah erst Clement Norgan, dann Aaron und schließlich Erich Stolov an. Er sah das Mitgefühl in Aarons Blick. Stolov war sprachlos.
    Lashers Gesicht war ruhig, beinahe heiter. Die Tränen waren wieder da, diese Tränen, die er trägt wie Juwelen, dachte Michael, und es schauderte ihn am ganzen Leibe, als wolle er den Bann der Schönheit dieses Wesens brechen, oder den Bann der sanften, gleichförmigen Stimme.
    »Ich gehöre euch, meine Herren«, sagte Lasher in seiner sanften Art und schaute Erich Stolov an. »Nach all diesen Jahrhunderten komme ich zu euch und bitte euch um Hilfe. Ihr habt sie mir einmal angeboten; ihr habt mir gesagt, was ihr wollt, und ich habe euch nicht geglaubt. Und jetzt sehe ich mich von neuem gejagt und bedroht.«
    Stolov schaute Aaron und Michael voller Unbehagen an. Norgan beobachtete Stolov, als warte er auf eine Art Stichwort.
    »Du hast recht getan«, sagte Stolov. »Es war klug von dir. Und wir sind bereit, dich nach Amsterdam mitzunehmen. Darum sind wir hier.«
    »O nein. Das werden Sie nicht tun«, sagte Michael leise.
    »Michael, was erwarten Sie von uns?« fragte Stolov. »Glauben Sie, wir können abseits stehen und zuschauen, wie Sie dieses Wesen hier vernichten?«
    »Michael, du hast meine Geschichte gehört«, sagte Lasher traurig und wischte sich, ganz wie ein Kind, die Tränen ab.
    »Sei versichert, daß dir nichts geschehen wird«, sagte Stolov. Dann wandte er sich wieder an Michael. »Wir werden ihn mitnehmen. Wir bringen ihn weit weg, an einen Ort, wo er Ihnen oder den Frauen Ihrer Familie nichts mehr anhaben kann. Es wird sein, als sei er nie hier gewesen…«
    »Nein, warte«, sagte Lasher. »Michael, du hast mich gehört.« Seine Stimme klang immer noch, als breche ihm das Herz. Er beugte sich vor; sein Blick war glasig, beschwörend. Er sah aus wie der Christus von Dürer.
    »Michael, du kannst mir nicht weh tun«, sagte er, und jetzt war seine Stimme unsicher und von sanfter Emotion erfüllt. »Du kannst mich nicht töten. Kann man mir vorwerfen, daß ich bin, was ich bin? Sieh mir in die Augen. Du kannst es nicht, das weißt du.«
    »Du wirst nie klug, nicht wahr?« flüsterte Michael.
    Aarons Hand spannte sich sofort um Michaels Schulter. »Es wird kein Töten geben«, sagte er. »Wir nehmen ihn mit. Wir fahren nach Amsterdam. Ich werde Erich und Norgan begleiten. Und ihn. Ich werde hundertprozentig sicherstellen, daß er auf direktem Weg ins Mutterhaus gebracht und dort unter -«
    »Nein, das werden Sie nicht tun«, sagte Michael.
    »Michael«, sagte Stolov, »dieses Geheimnis ist zu groß, als daß ein einzelner Mensch es binnen eines Augenblicks vernichten dürfte.«
    »Ist es nicht«, sagte Michael.
    »Wir haben gerade erst angefangen zu verstehen«, sagte Aaron. »Mein Gott, begreifen Sie denn nicht, was das bedeutet? Michael, kommen Sie zur Vernunft -«
    »Doch, ich begreife es«, sagte Michael. »Und Rowan hat es auch begriffen. Zum Teufel mit diesem Geheimnis.« Er funkelte Stolov an. »Das war immer Ihr Ziel, nicht wahr? Nicht wachen und warten und Wissen sammeln, sondern das, was der Holländer Lasher erzählt hat: zwei Taltos zusammenbringen, einen männlichen und einen weiblichen, und die Brut von neuem züchten.«
    Erich Stolov schüttelte den Kopf. »Wir werden nicht zulassen, daß jemandem etwas zustößt«, sagte er. »Vor allem nicht ihm. Wir wollen nur studieren,

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