Tanz der Hexen
Gesicht wurde ausdruckslos, und dann lief er rot an; er legte auf und wandte sich Aaron zu. »Ihre Ermittler haben die Kleidung meiner Frau abgeholt? Sie haben sie in Walton aus der Gerichtsmedizin und aus dem Bestattungsinstitut geholt? Wer hat Ihnen erlaubt, das zu tun?«
Aaron gab keine Antwort. Aber Michael sah die Überraschung und die Verwirrung auf seinem Gesicht. Aaron hatte es nicht gewußt. Er war erschrocken und gedemütigt. Er schien das Ganze zu überdenken, und dann zuckte er kurz und behutsam mit den Schultern.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Ich habe niemanden dazu befugt. Ich bitte Sie um Entschuldigung, und ich werde dafür sorgen, daß auf der Stelle alles zurückgegeben wird.«
Jetzt begriff Michael, weshalb Aaron nicht er selbst war. In seinen Reihen war etwas im Gange, etwas, das ihn und se i nen Orden betraf. Gespürt hatte er, daß etwas nicht stimmte, aber er hatte es nicht deuten können.
»Das will ich Ihnen auch raten, verdammt!« schrie Ryan. »Ich habe genug von Gelehrten und Geheimnissen und Leuten, die sich gegenseitig bespitzeln!« Er stand auf, und Pierce erhob sich ebenfalls.
»Komm, Dad«, sagte Pierce und übernahm erneut die Führung. »Laß uns nach Hause fahren. Komm.«
Aaron stand nicht auf, und er sah Ryan auch nicht an. Sein Blick ging ins Leere, und er schien völlig in Gedanken versunken. Er war verdrossen, aber es steckte noch mehr dahinter.
Michael erhob sich und gab Ryan die Hand. Auch von Pierce verabschiedete er sich wie immer mit einem Händedruck. »Ich danke euch beiden.«
»Es war das mindeste, was du erwarten kannst«, meinte Ryan angewidert. »Wir beide, du und ich, treffen uns morgen mit Lauren und Randall. Wir werden Rowan finden, falls R o wan…«
»… zu finden ist«, sagte Mona.
»Ich habe dir gesagt, du sollst den Mund halten«, sagte Ryan. »Geh jetzt nach Hause. Die uralte Evelyn ist ganz allein.«
»Ach ja? Irgend jemand ist dort immer ganz allein und braucht mich, nicht wahr?« Mona schwenkte das Bein herum, stand auf und strich sich das mädchenhafte Kattunkleid glatt. Die beiden Schlaufen der weißen Haarschleife schauten hinter ihrem Kopf hervor. »Ich gehe schon nach Hause. Keine Angst.«
Ryan starrte sie an, als könne er das alles nicht einen Augenblick länger ertragen. Und dann ging er auf sie zu, nahm sie in die Arme und drückte sie heftig an seine Brust. Furchtbare Stille trat ein, und dann hörte man das noch furchtbarere G e räusch seines Weinens – das tiefe, erstickte, unterdrückte Schluchzen eines Mannes, erfüllt von Scham und Elend, ein Geräusch, wie man es selbst bei einer Frau nur selten erlebt, unnatürlich beinahe. Pierce legte seinem Vater den Arm um die Schultern. Ryan schob Mona zurück, gab ihr einen wilden Kuß auf die Wange, drückte ihre Schulter und ließ sie los.
Dann verließ er mit Pierce die Bibliothek.
Als die Tür sich öffnete und wieder schloß, hörte Michael aus dem Flur einen Chor von Stimmen – die gedämpfte Stimme Beatrices, Randalls dunklen Tonfall und andere, die in der allgemeinen Aufbruchsstimmung untergingen.
Michael merkte, daß er mit Aaron und Mona allein war. Aaron hatte sich nicht gerührt. Er sah völlig mutlos aus und schien von ebenso schwerer Hilflosigkeit erfaßt zu sein wie Michael noch vor wenigen Tagen.
Mona hatte sich in die Ecke gedrückt und leuchtete wie eine kleine Kerze mit ihrem flammendroten Haar; sie hatte die A r me verschränkt und dachte offensichtlich nicht daran, zu g e hen.
»Sagen Sie mir, was Sie denken«, sagte Michael zu Aaron. »Es ist das erste Mal, daß ich Sie darum bitte, seit… seit es passiert ist. Was halten Sie davon? Sagen Sie’s mir.«
»Sie meinen, Sie wollen meine wissenschaftliche Meinung dazu hören«, sagte Aaron; sein Ton war immer noch säue r lich, sein Blick ausweichend.
»Ich will Ihre unvoreingenommene Meinung hören«, antwortete Michael. »Ryans Weigerung, diese ganze Geschichte zu glauben, hat etwas von einer religiösen Haltung. Aber was haben Sie mir verheimlicht?«
Er sollte Mona bitten, zu gehen; er sollte sie hinausbegleiten, sie Bea überantworten, damit sie versorgt war. Aber das alles tat er nicht. Er sah nur Aaron an.
Aarons Gesicht straffte und entspannte sich dann wieder. »Ich habe Ihnen nichts mit Absicht verheimlicht«, sagte er, aber seine Stimme klang nicht wie sonst. »Ich bin in großer Verl e genheit«, sagte er und sah Michael ins Gesicht. »Ich habe diese Untersuchung geführt, bis Rowan
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