Tanz der Kakerlaken
waren. Niemand konnte sich eine Explosion vorstellen, die noch lauter oder schlimmer war als die beim Kugelfeuer des Mannes, und es gab viele, die glaubten, daß das Schießen des Mannes schon Die Bombe sei, aber die Urbombianer erzählten den Anabombianern, daß die Explosion der Kugeln aus Seinem Revolver dagegen wie ein bloßes Räuspern klang.
Heute abend hatten Doc Swain, Junker Hank und die Müßiggänger der Jungfernparade auf der Roamin Road zugesehen, die bis hinauf zum Parthenon und zurück defiliert war; sie hatten beobachtet, wie der betrunkene Jack Dingletoon ihnen hinterhertorkelte, und sie hatten über verschiedene Mädchen, über Jack, über einander und über alles und jedes in der sicht- und schnüffelbaren Welt ihre Kommentare abgegeben und zweideutige Bemerkungen gemacht.
Als das Ende der Prozession in Sicht kam und die Witzblattfigur Jack Dingletoon johlte: »Heijo, ich bin kein Dingletoon nicht mehr! Jawoll, ich bin ein lupenreiner, waschechter Ingledew, und ein Junker obendrein!«, ließen die Müßiggänger schnell Blick und Schnüffelruten in Richtung Junker Hank gleiten, um seine Reaktion zu sehen, und einer von ihnen, O.D. Ledbetter, bemerkte: »Was meint ihr, was hat diesen Trottel wohl auf so eine Idee gebracht?«
»Chism-Tau gibt jedem das Gefühl, größer zu sein, als er ist«, erwiderte Elbert Kimber. »Dazu ist er doch schließlich da, oder nicht?«
Junker Hank äußerte sich nicht, sondern spuckte aus und bewegte nachdenklich die Backen. Niemand konnte sich erinnern, ihn je zuvor so schweigsam erlebt zu haben.
»Nee, nee«, wandte Doc Swain ein, »das ist es nicht. Er hat wahrscheinlich die Nerven verloren, weil ich ihm vor einer Weile gesagt habe, daß er eh nicht mehr viel Zeit hat und bald in den Westen muß. Er hat mich gebeten, ihn zu untersuchen, und ich will verdammt sein, wenn seine Malphigischen Röhren nicht völlig voller Fettkörperchen sitzen.«
Die Müßiggänger blickten erst den Doc und dann einander an. »Ist das echt wahr?« sagten mehrere, und »Das meint Ihr doch nicht wirklich?« sagten andere, und einer sagte sogar: »Was ist eine malviehische Röhre?« Einer nach dem anderen spuckte aus. Die meisten hatten guten Grund, auszuspucken, nicht um ihr Revier zu markieren (denn dieses ganze Revier gehörte Doc), sondern weil eine der vielen Gaben, mit denen der Mann sie segnete, die Zigarettenstummel waren, die er überall im Heiligen Haus verstreute, und aus denen eine Menge kaubarer Blätter gewonnen werden konnten, die die meisten männlichen Knackerlaken von Stay More genossen. Tabak verschaffte ein angenehmes Schwindel- und Leichtigkeitsgefühl im Kopf, aber vor allem war das Kauen und Spucken wichtig als eine Art Ritual, mit dem man sich der eigenen Identität und Männlichkeit versicherte und seine Zugehörigkeit zur Männerwelt dokumentierte.
»Die Malphigischen Röhren«, erklärte Doc, »sind Teil des Verdauungssystems, sie sind gewissermaßen um deine Gedärme gewickelt wie kleine Drähte. Der Mensch nennt sie ›Nieren‹.«
»Na klar«, sagte Tolbert Duckworth, »ich hab immer einen kleinen Trank bereit für die Röhre meiner Frau.«
Die anderen Müßiggänger lachten, aber Doc sagte: »Nicht diese Röhre. Die, die ich meine, sitzt gewissermaßen auf halber Strecke zwischen deinem Magen und deinem Arschloch. Sie filtert gewissermaßen alle Säfte, die durch deinen Körper fließen.«
Mehrere nickten, weil sie verstanden, und spuckten, bis Lum Plowright bemerkte: »Also ist das Sieb vom ollen Jack kaputt?«
»Na ja, die Fettkörperchen haben jedenfalls seine Malphigischen Röhren abgequetscht«, erklärte Doc, und fühlte sich ein bißchen schuldig, daß er gegen den Scheinheiligen Eid verstieß und die Beschwerden eines Patienten öffentlich erörterte.
»Seine Frau jedenfalls ist ein dralles kleines Fettkörperchen«, bemerkte Fent Chism, und alle brachen in schallendes Gelächter aus, während sie an Josie Dingletoon dachten, die trotz der vielen Ostereier, die sie gelegt hatte, noch ein hübscher Happen war.
»Nicht mehr lange, und sie ist eine menschverdammte Witwe«, bemerkte Doc.
Dieser Kommentar brachte die Müßiggänger zum Nachdenken, wie das so ihre Art ist, über die eigene Sterblichkeit, über die Witwe, die man hinterlassen würde, wenn man nicht schon verwitwet war, über die Kinder, die einen überleben und betrauern würden oder auch nicht, und über das Wesen des Westens und des Lebens nach dem Westen, falls es denn eines
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