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Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
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Vorderklauen und kratzte mit den Hinterklauen und klammerte mit seinen Fühlern und drosch mit seinen Schwanzreifen um sich und schlug mit seinen Schnüffelruten umher, kam aber nicht weiter auf dem glatten Metall. All seine hektischen Bemühungen führten nur dazu, daß Josie ebenfalls auf den Bauch geschleudert wurde, so daß auch sie nicht mehr vom Bier getragen war.
    Sie gingen zusammen unter. Wie in dem Moment, bevor der Santa Fe ihn zu packen versucht hatte, dachte Jack an die Vergänglichkeit des Ruhms; nur kurz war es ihm vergönnt gewesen, die Privilegien der Ingledewität zu genießen. Wie vergänglich waren doch die Freuden der Berühmtheit. Aber diesmal hatte er weder die Flügel noch den Mut, sich zu retten.
    Josie dachte an ihre Tochter Tish. Würde Tish wissen, wie all die Gäste, die mit dem Leichenschmaus zu ihr kamen, gebührend zu empfangen waren? Würde Tish darauf achten, daß jedes Kind den ihm zustehenden Teil von den Kuchen-, Pasteten- und Keksbrocken abbekam? Würde sie dafür sorgen, daß der Klotz sauber geschrubbt und jedes Kind ordentlich gebadet und zurechtgemacht war? Und würde sie dann, wenn der Leichenschmaus vorüber wäre, im Parthenon vorstellig werden, so wie sie Jubal es zu bestellen aufgetragen hatte, und ihre Verwandtschaft bei den Ingledews geltend machen?
    »Tish muß die Verwandtschaft bei den Ingledews geltend machen«, sagte Josie zu Jack, während beide zappelnd untergingen.
    »Was?« Jack fragte sich, was für einen Unsinn seine Frau im Augenblick ihres Verwesterns daherplapperte. »Was hat das damit zu tun, daß wir jetzt dran glauben müssen? Mir fällt dazu nur ein, daß ich, wenn ich in die Hölle komme, arbeiten muß.«
     
    10.
    »Wenn ein Vogel mich schnappt, o Herr, dann hab ich's nicht anders verdient«, sagte Bruder Tichborne laut, als die Morgendämmerung anbrach. Das Licht reichte noch nicht aus, daß ein Vogel ihn sehen konnte, und der früheste Vogel würde den Wurm fangen, nicht ihn, aber er wußte, wenn er in die Richtung, die er eingeschlagen hatte, weiterging, würde er niemals in die Sicherheit des Heiligen Hauses zurückkehren, bevor er für alle Taggeschöpfe sichtbar war, und durch die Fänge eines Vogels oder Reptils in den Westen zu gelangen wäre alles andere als eine Entrückung.
    Ja, der Herr lag noch da. In Seiner tiefen Trunkenheit hatte Er sich leicht bewegt, so daß Er jetzt nicht länger mit dem Gesicht unten flach im Gras von Carlott lag, sondern auf der Seite, das eine Knie hoch an die Brust gezogen, den Hintern emporgereckt, wie einer der Berggipfel, die das Tal von Stay More säumten.
    Es war dieser Berg, den Bruder Tichborne kühn erkletterte; der Aufstieg machte ihm keine Schwierigkeiten, aber er war schockiert über seine eigene Dreistigkeit, den Hintern des Herrn zu besteigen. Auf der Kuppe der von Jeans bedeckten Hinterbacke setzte er sich, oder besser: kauerte er und betrachtete die Welt unter sich und ringsumher, wie sie langsam aus dem Morgengrauen auftauchte. Er musterte das Profil des Herrn: ein Gesicht, das er niemals aus solcher Nähe oder so hell beleuchtet gesehen hatte. Wie viele seiner Mitknackerlaken hatten jemals so etwas erlebt? Es gab, besonders unter den Sackerlaken im Wandschrank, gewisse ruchlose Helden, die behaupteten, sie wären auf den Leib des Herrn gekrabbelt, während der Herr in Seinem Bette ruhte; aber Chid Tichborne bezweifelte, daß auch nur einer von ihnen Sein Gesicht bei solcher Beleuchtung gesehen hatte.
    Es war ein prachtvolles Gesicht, obwohl die starken Kiefer unter einem struppigen graumelierten Bart verborgen waren. Bruder Tichborne wäre es irgendwie lieber gewesen, wenn der Bart ganz weiß gewesen wäre, mehr so wie in seiner Vorstellung von einer Gottheit, aber die vereinzelten weißen Haare zwischen den dunkleren reichten aus, dem Herrn ein gelehrtes Aussehen zu verleihen. Manche Leute behaupteten, es gäbe noch andere Männer auf der Welt; obwohl Chid Tichborne gegen solchen Polytheismus predigte, gestand er insgeheim diese Möglichkeit doch zu, auch wenn er keinen dieser anderen Männer je gesehen hatte. Aber mit Sicherheit war kein anderer Mann so klug, so stark und so allmächtig wie unser Mann.
    … Es sei denn, dachte Chid Tichborne mit heftigem Schaudern, der Herr wäre verwestert. Regte Er sich denn überhaupt noch? Hob und senkte sich Seine Brust noch unter Seinen flachen Atemzügen? In Bruder Tichbornes Knien befanden sich – wie in den Knien aller Knackerlaken – spezielle

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