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Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
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unter den Toten und Überlebenden dort unten vor sich ging, sah aber daß der Mann sich auf den Rücken gerollt hatte und vielleicht vor Schmerz oder wegen des Blutverlustes ohnmächtig geworden war. »BLEIB BESSER WACH!« brüllte Doc Ihm zu, und sein Patient schreckte mit einem Ruck auf. Doc entschuldigte sich: »ICH MEINTE NICHT DICH. ICH HABE DEM HERRN ZUGERUFEN. ABER WENN ICH'S RECHT ÜBERLEGE, DU SOLLTEST AUCH WACH BLEIBEN.«
    »Danke, Doc«, murmelte der Patient.
    »NICHT REDEN«, schrie Doc. »VERSUCH AUF KEINEN FALL ZU REDEN. Laß mich das Reden übernehmen. Der Mann liegt mit dem Bauch nach oben drüben auf Seiner Couch, mit einer üblen Wunde in Seinem Krabbler. Du hast Ihn dazu gebracht, daß Er sich Selbst in den Krabbler geschossen hat, wußtest du das? Still, nicht antworten. Du hat es nicht absichtlich getan, schätze ich. Als du Ihm auf den Kopf geklettert bist und dafür gesorgt hast, daß Er deinen Daddy und deine Liebste verfehlt, wußtest du ja nicht, daß Er statt dessen Seinen eigenen Krabbler treffen würde, stimmt's? Seht! Er hätte es besser wissen müssen, als immer mit Seinem Revolver herumzuspielen! Er hätte wissen sollen, daß Er sich irgendwann selber trifft, wenn Er nicht aufpaßt. Aber vielleicht hast du Ihm einen Gefallen getan. Ja, vielleicht hätte Er am Ende was Schlimmeres angestellt, wenn du Ihmkeine Lektion erteilt hättest. Vielleicht hat Er nicht mehr als ein, zwei gebrochene Knochen im Metatarsus und zweifellos noch eine Splitterung am zweiten und dritten Keilbein im Tarsus, aber Er wird eine Weile nicht rumlaufen können.«
    Wie um die Prognose von Doc Lügen zu strafen, setzte sich der Mann plötzlich schwerfällig auf, stellte sich auf einen Krabbler und hüpfte, humpelte dann, hüpfte schließlich wieder geradewegs zurück zu Seinem Polstersitz. Doc fürchtete, der Herr würde Seinen Hintern ohne Umschweife auf ihn und seinen Patienten niederplumpsen lassen, und er duckte sich und überlegte, ob er versuchen sollte, sich und seinen Patienten tiefer in den Spalt zwischen den Polstern hineinzuzwängen. Aber der Herr kam nur, um Sein Glas mit Bourbon vom Tisch neben dem Sitz zu holen. Er hob es an den Mund, leerte es mit zwei Schlucken, dann drehte Er sich um und hüpfte und humpelte nicht zurück zur Couch, sondern in die Kochstatt. Er ließ eine Blutspur auf den Teppichen und dem Linoleum hinter sich zurück. »DU IDIO-O-O-T!« brüllte Doc, Blasphemie hin, Blasphemie her. »RUNTER VON DEN KRABBLERN! BIND 'NE ADERPRESSE UM DAS DING!«
    Als ob der Herr ihn gehört hätte, hatte Er bei Seiner Rückkehr in der einen Hand Seine ungeöffnete neue Flasche Bourbon und in der anderen ein Tischtuch aus Leinen. Nachdem Er sich wieder auf die Couch geworfen hatte, machte Er zuerst die Flasche auf und trank direkt daraus. Der Doc brüllte: »GIESS MAL WAS AUF DIE WUNDE, ALS ANTISEPTIKUM!«, wurde aber ignoriert oder nicht gehört. Dann machte sich der Mann daran, das Tischtuch in Fetzen zu reißen. Mit einem Stoffstreifen band Er ungeschickt und trunken eine Aderpresse um Seinen Knöchel und zog sie stramm. Dann zog Er seinen Schuh aus, der ein klaffendes blutverschmiertes Einschußloch im Spann und ein weiteres in der Sohle hatte, und warf ihn weg, danach Seine Socke, die von Blut getränkt war. Doc konnte einen flüchtigen Blick auf die häßliche Wunde werfen, bevor der Mann anfing, Streifen des Tischtuchs um Seinen Krabbler zu wickeln. Doc zuckte zusammen, als er erst die Wunde sah und dann den Verband, unsterile Leinenfetzen, die höchstwahrscheinlich eine Kolonie von Staphylokokken in die Wunde tragen würden, von Tetanus ganz zu schweigen.
    Nachdem der dilettantische Verband fertig war, nahm der Mann noch ein paar gierige Schlucke aus der Flasche, schmatzte mit den Lippen und seufzte. Dann legte Er sich zurück und schloß von neuem Seine Augen. Blitz und Donner dauerten an, aber am lautesten war der Regen. So einen Guß hält keine Kröte aus, dachte Doc. Er hoffte es, denn er konnte Kröten nicht leiden. Er prüfte Atmung und Puls seines Patienten; die Atmung war tiefer, der Puls war regelmäßiger, aber schwächer. Der Junge war immer noch bei Bewußtsein. Warum nenne ich ihn immerzu Junge? fragte sich Doc. Er ist ein voll ausgewachsener Bursche und kräftig wie ein Hirschkäfer. »Ja, vielleicht hast du dem Herrn einen Gefallen getan«, wiederholte Doc. Obwohl ihm bewußt war, daß er nicht laut genug sprach, als daß die tauben Schwanzreifen ihn hätten hören können,

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