Tanz der Kakerlaken
blasphemische Knackerlake war am Leib des Herrn hinaufgeklettert, Ihm in dem Augenblick, da Er feuerte, auf die Stirn gesprungen und hatte sich an Seinem Augenlid festgekrallt! Der Herr war beim Schuß gestört worden, so daß Er danebenschießen mußte.
»AAARGGHH!« schrie der Herr und ließ Seinen Revolver fallen, der die Stapletons zerschmetterte, schlug sich ins Gesicht, so daß die ruchlose Knackerlake weggeschleudert wurde, richtete sich auf und umklammerte seinen Krabbler. Der Herr hatte sich in Seinen eigenen Krabbler geschossen!
19.
Als Tish die vierte Explosion hörte, hielt sie sie für eine weitere der Heiligen Kugeln des Herrn, aber wie konnte das angehen? Der Heilige Revolver lag auf dem Boden, mitten auf den armen verwesterten Mr. und Mrs. Horace Stapleton, und der Herr Selbst lag der Länge nach auf Seiner Mußecouch und hielt sich vor Schmerz stöhnend und fluchend Seinen Krabbler. Nein, die vierte Explosion mußte davon herrühren, daß jemand anders eine Pistole abgefeuert hatte, aber wer?
Tish bemerkte, daß einer ihrer Krabbler von der Schnüffelrutenspitze Archy Tichbornes umschlungen war, der sie an sich zog und sagte: »Komm, Mädel, machen wir, daß wir hier wegkommen!« Er führte sie durch ein altes Schußloch in der Wand in einen Hohlraum, einen verlassenen Korridor, wo sie sich zusammengezwängt versteckten. Versteckten wovor? fragte sich Tish. Dann erscholl ein fünfter Knall. Sie zuckte zusammen und drängte sich an Archy, der seine Schnüffelruten um sie legte und sagte: »Keine Angst, Kleines, hier kriegt Er uns nicht.«
»Er versuchte gar nicht, uns zu kriegen«, erwiderte Tish. »Er ist Selbst angeschossen. Jemand schießt auf Ihn.«
»Das sind keine Schüsse mehr«, erklärte Archy wissend. »Das ist Donner. Es gibt Regen.«
»Niemand schießt auf Ihn?« fragte Tish.
»Er hat sich Selbst angeschossen«, sagte Archy. »Er hat direkt auf mich gezielt, aber Er hat danebengeschossen und sich Selbst getroffen.«
»Ist Er im Westen?« fragte Tish bang.
»Nee; Er hat sich bloß ein großes Loch in Seinen Krabbler geballert und ist auf Seine Mußecouch gefallen.«
»Aber Er ist am Verwestern«, erklärte Tish besorgt.
»Das bezweifle ich«, sagte Archy. »Er wird bloß nicht viel rumlaufen in nächster Zeit.«
»Warum verstecken wir uns dann?« fragte sie.
»Es ist immer noch gefährlich da draußen«, sagte Archy.
Ein sechster Knall ertönte, so daß Tish und Archy erneut zusammenfuhren und einander fester umschlangen. Obwohl sie wußten, daß es keine Schüsse waren, sondern Donner, war es doch so nahe, so laut und so durchdringend, daß es schien, als wollten die Wände des Heiligen Hauses einstürzen. Nichts ist der Intimität förderlicher als Gefahr, und Tish war überrascht, festzustellen, daß sie und Archy bereits so enge Freunde waren, als hätte sie ihn schon ihr ganzes Leben lang gekannt. Hatte sie ihn erst vorgestern nacht bei der Spielparty in Carlott zum ersten Mal gesehen und bewundert und sich gewünscht, er würde Notiz von ihr nehmen? Jetzt nahm er allerdings Notiz von ihr. Ihre körperliche Nähe erinnerte sie auch an jene Nacht, als sie sich beide vor dem Herrn versteckt hatten. War es vielleicht eine kosmische Parallele, daß sie sich wieder einmal vor dem Herrn versteckten? Oder versteckten sie sich bloß vor dem Donner? Oder wovor sonst?
Der Donner wurde stärker, als versuchte er sie aufzuspüren, und selbst ihre Deckung, die Wand, in der sie sich verbargen, konnte das grelle Licht der Blitze nicht abhalten. Tish hörte jetzt das Trommeln des Regens oben auf dem Dach und sogar gegen die Seiten des Hauses und die Fensterscheiben.
Nach langer Zeit fragte sie: »Sollten wir nicht nachsehen gehen?«
»Was nachsehen?« fragte Archy.
»Wie es dem Herrn geht«, sagte sie. »Ob Er nicht am Verwestern ist.«
»Wir wagen uns besser nirgendwohin«, sagte Archy. Dann gab er ihr einen kleinen Kuß. »Laß uns lieber die Nacht über hierbleiben.« Er gab ihr einen größeren Kuß.
Tish durchlief ein Prickeln der Erregung. Das eine, was Junker Sam nicht getan hatte, obwohl er ihr eine Murmel gegeben hatte, war, ihr einen Kuß zu geben. Sie dachte an Junker Sam und an letzte Nacht und diesen Morgen. Aber sie wollte in einem Augenblick wie diesem nicht an Junker Sam denken. Sie war sowieso schon innerlich hin und her gerissen zwischen Archy, so dicht bei ihr und zunehmend intimer, und dem Mann, der sich womöglich in Gefahr befand und zumindest von
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